Bedeutung von Kleinstchargen in der pharmazeutischen Industrie
Einleitung und Definition von Kleinstchargen
Der Begriff Kleinstchargen bezieht sich in der pharmazeutischen Industrie auf die Herstellung einer sehr geringen Menge eines Arzneimittels. Diese geringe Produktionsmenge kann aus verschiedenen Gründen erforderlich sein, beispielsweise bei der Produktion von Medikamenten für klinische Studien oder bei der Entwicklung neuer Therapien im Rahmen der personalisierten Medizin. Im Vergleich zu herkömmlichen Produktionschargen, die oft in Millionen- oder Milliardenhöhe gehen, umfassen Kleinstchargen oft nur einige hundert oder tausend Einheiten. Dabei wurde nach den ICH-Richtlinien der Begriff Kleinstcharge und damit eine genaue produzierte Menge nie spezifiziert.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) definiert eine Charge als "eine spezifische Menge eines Arzneimittels oder Wirkstoffes, die in einem einzigen Produktionsprozess hergestellt wird und bei der erwartet wird, dass sie eine einheitliche Qualität und Konsistenz aufweist". Kleinstchargen können daher als solche Produktionschargen verstanden werden, die bewusst auf eine kleine Anzahl beschränkt sind, um spezielle Anforderungen oder Nischenmärkte zu bedienen.
Herkömmliche Arzneimittelproduktion
Die herkömmliche Arzneimittelproduktion erfolgt in der Regel in großen Chargen, um die hohe Nachfrage für weit verbreitete Krankheiten und Zustände zu decken. Diese Massenproduktion ermöglicht es den Pharmaunternehmen, Kosten zu reduzieren, da die Produktionsprozesse standardisiert und optimiert werden können. Solche Arzneimittel, auch als Blockbuster- Medikamente bezeichnet, sind oft für Millionen von Patienten geeignet und zielen auf weit verbreitete Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Krebs ab.
Ein großer Vorteil der herkömmlichen Produktion besteht darin, dass durch die Herstellung großer Chargen eine gleichbleibend hohe Qualität und eine langfristige Verfügbarkeit gewährleistet werden können. Zudem können Produktionsstätten automatisiert und Prozesse rationalisiert werden, um die Kosten pro Einheit zu senken. Dieser Ansatz ist besonders für chronische Krankheiten oder Infektionen mit großer Betroffenenzahl geeignet. Beispielsweise werden Medikamente wie Ibuprofen oder Metformin in Massen produziert, da sie von Millionen Menschen weltweit eingenommen werden.
Die Nachteile dieses Ansatzes liegen in seiner Starrheit: Medikamente werden für die durchschnittliche Bevölkerung hergestellt, was bedeutet, dass individuelle Unterschiede wie Genetik, Stoffwechsel oder spezifische Krankheitsstadien nicht berücksichtigt werden. Diese Standardisierung führt oft dazu, dass bestimmte Patientengruppen, wie solche mit seltenen genetischen Erkrankungen oder besonderen Unverträglichkeiten, keine maßgeschneiderte Therapie erhalten können.
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Personalisierte Medizin und die Rolle von Kleinstchargen
Im Gegensatz zur herkömmlichen Produktion großer Arzneimittelchargen ist die personalisierte Medizin darauf ausgerichtet, individuelle Unterschiede bei Patienten zu berücksichtigen. Diese individualisierte Therapie basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch eine einzigartige genetische Struktur und individuelle Stoffwechselwege hat, die den Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen.
In diesem Zusammenhang wird die Produktion von Kleinstchargen zunehmend wichtiger. Da personalisierte Medizin darauf abzielt, speziell auf die genetische Ausstattung, Lebensstil und Umweltfaktoren eines einzelnen Patienten zugeschnittene Therapien zu entwickeln, erfordert dies eine flexible und klein-volumige Produktion. Ein Beispiel für die Anwendung personalisierter Medizin ist die Therapie von Krebs, bei der die Tumoreigenschaften eines Patienten genetisch analysiert werden, um gezielt wirksame Medikamente zu entwickeln.
Ein besonders prominentes Beispiel für die Kleinstchargen-Produktion in der personalisierten Medizin ist die Herstellung von CAR-T-Zelltherapien. Diese Therapien basieren auf der genetischen Modifikation der eigenen Immunzellen des Patienten, um gezielt gegen Krebszellen vorzugehen. Da jede Therapie speziell auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten ist, müssen die entsprechenden Medikamente in sehr kleinen Chargen hergestellt werden. Hierbei wird der gesamte Produktionsprozess individuell für jeden Patienten durchgeführt, was die Komplexität und die Kosten erhöht, jedoch zu einem potenziell lebensrettenden Behandlungserfolg führen kann.
Die FDA entschied im November 2023, die Überwachungszeit nach CAR-T-Behandlungen von 15 Jahren auf lebenslang zu verlängern. Dies führt zu höheren Kosten für Hersteller und Patienten. Patienten und Teilnehmer an klinischen Studien, die mit diesen Produkten behandelt werden, sollen lebenslang auf das Auftreten neuer bösartiger Erkrankungen überwacht werden. Welche Auswirkungen dies auf die CAR-T Entwicklung hat, wird die Zukunft zeigen.
Vorteile der Kleinstchargen in der personalisierten Medizin
Die Produktion von Kleinstchargen bietet eine Vielzahl von Vor teilen, insbesondere im Bereich der personalisierten Medizin.
Einer der wichtigsten Vorteile besteht darin, dass die Therapien exakt auf den individuellen Bedarf des Patienten zugeschnitten werden können. Dies Flexibilität kann die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen und Nebenwirkungen minimieren, da nicht mehr eine Einheitsgröße für alle Patienten verwendet wird, sondern die Behandlung auf molekularer Ebene personalisiert wird.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass durch die Kleinstchargen-Produktion neue Therapien schneller auf den Markt gebracht werden können. Während die Entwicklung eines neuen Medikaments in der traditionellen pharmazeutischen Industrie mehrere Jahre dauern kann, ermöglicht die flexiblere und kleinere Produktion eine schnellere Anpassung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder die Bedürfnisse einer kleinen Patientengruppe. Insbesondere für seltene Krankheiten, für die es keinen großen Markt gibt, ist dies entscheidend.
Herausforderungen bei der Herstellung von Kleinstchargen
Obwohl die Produktion von Kleinstchargen viele Vorteile bietet, stehen Pharmaunternehmen auch vor erheblichen Herausforderungen. Eine der größten Hürden besteht in den hohen Produktionskosten. Da die Produktionsprozesse nicht so stark standardisiert und automatisiert sind wie bei herkömmlichen Arzneimitteln, sind die Kosten pro Einheit wesentlich höher. Dies liegt zum Teil an der Notwendigkeit, spezielle Anlagen und Techniken einzusetzen, um individualisierte Therapien herzustellen.
Zudem stellt die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen eine weitere Herausforderung dar. Die Produktion von Kleinstchargen muss genauso strengen Qualitätsstandards unterliegen wie die Massenproduktion, was zusätzliche Prüfungen und Kontrollen erfordert. Insbesondere bei der Herstellung von personalisierten Medikamenten, bei denen jeder Produktionsschritt auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten ist, sind umfangreiche Dokumentationspflichten und Qualitätskontrollen notwendig, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie zu gewährleisten. Diese Kontrollen und Analysen führen dabei immer zum Produktionsverlust, was in der Umsetzung zu Schwierigkeiten führt.
Auch die Logistik stellt ein erhebliches Problem dar, da die Lagerung und der Transport von individualisierten Arzneimitteln oft besondere Anforderungen mit sich bringen wie beispielsweise die Einhaltung bestimmter Temperaturbedingungen oder der geringen Haltbarkeit. Dies macht die Distribution von personalisierten Medikamenten komplexer und kostspieliger als bei herkömmlichen Arzneimitteln.
Zukunftsaussichten und Fazit
Die Produktion von Kleinstchargen wird in Zukunft eine immer größere Rolle in der pharmazeutischen Industrie spielen, insbesondere im Bereich der personalisierten Medizin. Mit dem zunehmenden Verständnis der menschlichen Genetik und der Fortschritte in der biotechnologischen Forschung werden maßgeschneiderte Therapien für Patienten mit spezifischen genetischen Merkmalen immer wichtiger. Diese Entwicklung könnte zu einer Revolution in der Behandlung von Krankheiten führen, da die traditionellen One-size-fits-all-Ansätze zunehmend durch individualisierte Therapien ersetzt werden.
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Trotz der Herausforderungen in Bezug auf Kosten, Logistik und regulatorische Anforderungen sind die Vorteile von Kleinst-chargen in der personalisierten Medizin nicht zu übersehen. Sie bieten eine hohe Flexibilität und damit eine maßgeschneiderte Therapie, die auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten abgestimmt ist. Während herkömmliche Arzneimittel weiterhin eine wichtige Rolle für die Behandlung weit verbreiteter Krankheiten spielen werden, könnte die Zukunft der personalisierten Medizin und der Kleinstchargen-Produktion besonders für Patienten mit seltenen oder komplexen Erkrankungen von entscheidender Bedeutung sein. Dies könnte auch im Bereich der Onkologie zu einer effizienteren Behandlung führen.
Die fortschreitende Entwicklung von Technologien wie 2D/3D-Druck und automatisierten Mini-Produktionsanlagen könnte in den kommenden Jahren dazu beitragen, die Herstellungskosten zu senken und die Flexibilität der Produktion weiter zu erhöhen. So könnte die Herstellung von Kleinstchargen zu einem zentralen Pfeiler der Arzneimittelproduktion werden, der neue und innovative Therapien für Patienten preislich ermöglicht, die bislang keine passenden Behandlungsoptionen hatten.
Über die Autoren:
Clemens Mundo
... ist seit 2023 bei CONCEPT HEIDELBERG tätig und hier Fachbereichsleiter für den Themenbereich Biotechnologie.
Quellen:
https://www.ema.europa.eu
Stefanicka-Wojtas D, Kurpas D. Personalised Medicine-Implementation to the Healthcare System in Europe (Focus Group Discussions). J Pers Med.; (21. Feb 2023)
Dimitrovska, Marija. Personalized medicine as trend in in pharmaceutical industry; MEDIS International Journal of Medical Sciences and Research (07. March 2024)
FDA Investigating Serious Risk of T-cell Malignancy Following BCMA-Directed or CD19-Directed Autologous Chimeric Antigen Receptor (CAR) T cell Immunotherapies (28. Nov 2023)