Bericht zur Online-Konferenz der ECA "Qualification and Validation Forum" am 14./15. November 2023
Das "Qualification and Validation Forum" 2023 der ECA stand unter dem Zeichen der Weiterentwicklung der Version 2.2 des ECA Good Practice Guide "Qualification and Validation - A guide to effective qualification based on Customer - Supplier Partnership". Was ist hierzu geplant?
Autoren und Anwender des Guides erläuterten auf dem Forum gegenüber 47 Teilnehmenden den Inhalt und die Möglichkeiten der Anwendung des Guides- und vor allem in welche Richtung sich der Guide entwickeln wird. Zu Beginn der Veranstaltung gab der aktuelle Leiter der ECA Validierungsgruppe, Ralf Gengenbach, einen Überblick über den Guide. Ziel des Guides ist es, hinsichtlich einer "schlanken Qualifizierung" praktische Lösungen zu skizzieren, Fallstudien einzubinden und Musterbeispiele zu beschreiben. Der Guide verknüpft die Vorgaben aus dem Annex 15 zum EU GMP Leitfaden mit der FDA Process Validation Guidance und dem Ansatz der ASTM-Leitlinie 2500. Ralf Gengenbach zeigte, welche Herausforderungen eine Geräte-Qualifizierung auch heute noch mit sich bringt (Abbildung 1).
Abbildung 1: „Qualification a Challenge Task“
Die Grundidee des Guides basiert auf einem "White Paper" der ISPE aus dem Jahre 2005. Ralf Gengenbach zeigte, dass der ECA Guide gut in Einklang mit dem ISPE Guide "Commissioning and Qualification" 2nd edition (2019) steht. Auch dieser Guide basierte ursprünglich auf dem o.g. "White Paper". Der ISPE-Guide stellt den Prozessfluss in den Mittelpunkt, der ECA Guide fokussiert auf die unterschiedlichen Parteien und deren Aufgaben bei der Geräte-Qualifizierung.
Abschließend gab Ralf Gengenbach einen Ausblick über die geplante Weiterentwicklung des Guides.
Im Folgenden referierte mit Dr. Franz Schönfeld, Oberfranken, ein europäischer GMP-Inspektor. Dr. Schönfeld zeigte Möglichkeiten und Grenzen des Annex 15 auf. Bei der Gerätequalifizierung empfahl er, den Lieferanten schon bei der Projektierung mit einzubinden. Basis für eine Zusammenarbeit sollte aber ein schriftlicher Vertrag sein. Zum Thema elektronische Dokumentation wies er auf die ALCOA++-Prinzipien hin. Laut Dr. Schönfeld ist eine Geräte-Kategorisierung in der Industrie weitverbreitet. Und bei Standardgeräten und konfigurierten Geräten sieht er auch Möglichkeiten einer Vereinfachung der Qualifizierung. Als Beispiele nannte er folgende Möglichkeiten:
- Keine Lieferantenqualifizierung
- Übernahme der technischen Dokumentation des Lieferanten ohne gesonderte Freigabe
- Keine Begleitung von FAT-Tests durch den Kunden.
Der vollständige Vortrag steht im Mitgliederbereich der ECAWebseite zum Streamen für Sie bereit, s. https://www.gmpcompliance.org/members-area
Im nachfolgenden Vortrag verglich der ehemalige Leiter der ECA Validation Group, Gert Moelgaard, die ECA Good Practice Guides "Integrated Qualification and Validation" und "GMP Equipment Design". Ganz wichtig war Gert Moelgaard der Begriff "Critical Aspects" (CAs) im Rahmen von Qualifizierungen und Validierungen. Dieser Begriff kommt im Annex 15 vor und auch im ASTM Guide E 2500. Dann stellte er Begriffe vor, die ebenfalls im Rahmen von Qualifizierungen und Validierungen eine wichtige Rolle spielen. Das sind "kritische Qualitätsattribute" (Critical Quality Attributes, CQA) bezogen auf Produkte, "kritische Prozessparameter" (Critical Process Parameter, CPP) bezogen auf Prozesse und "kritische Aspekte bezogen auf die Produktqualität" (Critical To Product Quality, CTQ). Im Folgenden stellte er nicht produktspezifische CAs mit Bezug zur Good Engineering Practice (GEP) vor. Am Projekt-Beispiel einer Stickstoffüberlagerung in einem Tank zeigte er, was als "Critical Aspect" zu werten ist und was über GEP abgebildet werden kann. Entsprechend sind auch jeweils andere Abteilungen involviert (s. Abbildung 2).
Abbildung 2: “Science and Risk-based pharma project example”
In einem zweiten Beispiel zeigte er, wie die Einbindung von GEP und von Lieferanten in die Gerätequalifizierung bei Novo Nordisk umgesetzt worden ist.
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Den Nachmittag begann Maik Guttzeit von der Bayer AG. Er leitet die Untergruppe zum Thema Kategorisierung in der ECA Validation Group. Das Ziel seines Vortrages war es, den aktuellen Stand des Kapitels zur Geräte-Kategorisierung aufzuzeigen und die geplante Weiterentwicklung vorzustellen. An zwei Beispielen, einer Waage und einem Gefriertrockner, zeigte er die Schwierigkeiten auf, die vermeintlich einfache Geräte bei einer Kategorisierung aufweisen können. Sein erstes Fazit war: Es gibt keine einfachen und klaren Antworten bzgl. einer Kategorisierung. Er zeigte dann, welche Einflussfaktoren bei einer Kategorisierung zu beachten sind, welchen Einfluss die Lieferanten haben und was pharmazeutische Unternehmen zu berücksichtigen haben. Als zu berücksichtigend nannte er ferner die System-Kritikalität, die Anwendungs-Kritikalität und die Lieferanten-Kritikalität hinsichtlich eines Gerätes. Sein Zwischenfazit war: Es gibt keine einfachen und klaren Antworten zu einem Kategorisierungssystem.
Danach stellte er ein dreistufiges Kategorisierungsmodell mit der folgenden Einteilung vor:
- Standard
- Konfiguriert
- "Customised"
In einer Projektübersicht zeigte er Qualifizierungsaktivitäten, die diesen drei Gruppen Rechnung zollen. Aber er wies auch ausdrücklich darauf hin, dass bei reduzierten Aktivitäten immer der Annex 15 berücksichtig werden müsse, also auch der Gerätequalifizierungs- Lebenszyklus (Abbildung 3).
Abbildung 3: “Possible Project Quality Aspects for the 3 categories”
Daher ist die Voraussetzung einer Qualifizierungsstrategie, die verminderte Aktivitäten adressiert, eine klares Statement wie die Reduzierung erfolgen soll. Jeder einzelne Lebenszyklus- Schritt sollte von risikobasierten Entscheidungen begleitet werden und eine Rationale für reduzierte, kombinierte oder weggelassene Aktivitäten liefern. Am Beispiel eines "Gerätes von der Stange" ("commercial of the shelf", COTS) erläuterte Maik Guttzeit dann, wie eine DQ, IQ und OQ aussehen kann.
Abschließend gab er einen Ausblick auf die folgenden, verschiedenen Kategorisierungs- Modelle, die in der Revision des Kapitels mit aufgenommen werden sollen:
- Matrix-Ansatz mit einem Ampelsystem (rot, gelb, grün), s. Abbildung 4)
- Entscheidungsbaum-Ansatz
- Tabellarischen Ansatz
Abbildung 4: „Example Matrix Approach“
Sein Schluss-Fazit war: Kategorisierung kann helfen, den Qualifizierungs- Aufwand zu reduzieren, sollte aber niemals die Qualität reduzieren.
Den letzten Vortrag des ersten Tages hielt Rafael Leandro de Souza von Pharmaplan. Er berichtete über den Stand des Kapitels "Critical Aspects Risk Assessment" (CARA) und die geplante Weiterentwicklung dieses Kapitels. Zu Beginn betonte Rafael de Souza, dass Geräte-Qualifizierung ein Lebenszyklus sei und sich dieser in Dokumenten wiederfinden müsse, um rückführbar zu sein. Er griff hier nochmals Argumente der Vorredner auf. Anschließend zeigte er, wie ein CARA-Konzept in den Qualifizierungs- Lebenszyklus eingebettet werden kann (s. Abbildung 5).
Abbildung 5: “The CARA concept in the equipment qualification life cycle”
Die erste, als "QRA 0" bezeichnete Qualitätsrisikoanalyse, identifiziert produktbezogene Risiken (CQA), produkt- und gerätebezogene Risiken (CPP) sowie produkt- und prozessbezogene Umweltrisiken (CTQ). Gert Moelgaard hatte diese Termini am Morgen schon eingeführt, s. o. Diese Parameter fließen in das Design eines Gerätes ein. Die Qualitätsrisikoanalyse 1 (QRA1) bewertet die Parameter aus der QRA0 im Hinblick auf GMP-Anforderungen. Die Bewertungen fließen in die Benutzeranforderung (URS) ein. Die QRA2, die im Rahmen der Design Qualifizierung erfolgt, bewertet das Design während des Design Reviews. Im Rahmen der QRA3 werden Teststrategie und eine GMP-Tracebility- Matrix erstellt. Die QRA3 begleitet auch die Kommissionierungs- (GEP) und Qualifizierungsphase (GMP). Woraus wiederum eine Teststrategie im Bereich von GEP und eine GEP-Tracebility-Matrix erstellt werden. Abschließend zeigte er anhand des ICH Q9-Risikomanagementprozesses, wie sich dessen Prozesselemente in den Risikoanalysen CARA 0-3 abbilden lassen (siehe Abbildung 6).
Abbildung 6: “CARA and Quality Risk Management”
Ziel der Revision des CARA-Kapitels wird es sein, das Kapitel noch klarer zu formulieren und die QRAs 0 bis 3 anhand eines Beispiels noch besser zu verdeutlichen.
Kurz vor Ende des ersten Tages machte Ralf Gengenbach noch Umfragen, um Feedback zum aktuellen Stand bzgl. Geräte-Qualifizierungen einzuholen und Wünsche zur Weiterentwicklung des Guides mitgeteilt zu bekommen. Auf die Frage, ob Qualifizierungen teuer und (zu) lange dauern, antworteten 61% mit "Ja". Woran liegt das? 51% derjenigen, die mit "Ja" geantwortet hatten, führten dies auf mangelndes Projektmanagement zurück. Auch häufige Wiederholungen von Tests wurden genannt (15%).
Was erwarten die Teilnehmenden zukünftig vom Guide? Es wurde klar, dass die Teilnehmenden gerne einen vereinfachten Zugang zum Guide hätten. 56% hätten gerne "Booklets", die einzelne Kapitel des Guides sehr konzentriert zusammenfassen. Videos wurden ebenfalls gewünscht - allerdings nur mit 19% Rückmeldung. Ferner wurden mehr Fallstudien und praktische Beispiele gewünscht (60%) sowie Vorlagen (16%). Des Weiteren kam noch der Wunsch auf, mehr Bezug zu Good Engineering Practice (GEP) im Guide zu haben (76% der Rückmeldungen). Diesbezüglich hatte Gert Moelgaard bereits in seinem Vortrag am Morgen bereits darauf hingewiesen, dass eine engere Verzahnung mit dem ECA Good Practice Guide "GMP-Equipment Design Guide" wünschenswert wäre.
Damit endete der erste Forum-Tag.
Tag zwei begann mit einem Vortrag von Holger Frey von Roche Diagnostics in Mannheim. Er sprach über eine Fallstudie zur Einbindung von Lieferanten in ein Qualifizierungsprojekt. Es ging um den Ersatz einer optischen Kontroll-Linie für Vials mit integrierter Dichtigkeitsprüfung. Das Projekt wies ein Volumen von über 3 Millionen Euro auf und war für einen Zeitraum von 2 Jahren geplant. Sehr intensiv wurde auch die Dokumentation des Lieferanten mit eingebunden und zwar bei:
- FMEA
- Pre-FAT und FAT I und II
- IQ, OQ
De facto ging die Einbindung des Lieferanten aber schon mit dem Pflichtenheft los, s. Abbildung 7.
Abbildung 7: “Qualification project and cooperation with supplier -procedure qualification project”
Interessanterweise waren Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsaspekte (EHS) mit in die Benutzeranforderungen integriert worden, allerdings wurden sie als nicht GMP-relevant klassifiziert. Somit waren sie auch nicht testrelevant in der Qualifizierung. Insbesondere bei zeitkritischen Projektphasen wurden die FAT-Tests in die Qualifizierung integriert, um Doppeltestungen zu vermeiden. Das Vorgehen erfolgte entsprechend einer SOP und war mit der Qualitätssicherung abgestimmt, s. Abbildung 8.
Abbildung 8: “Qualification project and cooperation with supplier - qualification steps”
Das gesamte Projekt begann Mitte/Ende 2017 mit dem Konzept- Design und der Erstellung der Benutzeranforderungen und endete mit den Validierungsläufen Anfang 2020.
Die folgenden drei Vorträge behandelten das Thema elektronische Dokumentation von Qualifizierungsaktivitäten. Einleitend fragte Denis Dreher von Exyte in einer Umfrage nach dem Einsatz von papierlosen Validierungssystemen. Von den Personen, die antworteten, nutzen nur 8% ein solches System. Herr Dreher teilte seinen Vortrag in 3 Teile ein:
- Herausforderungen bei papierbasierten Qualifizierungssystemen
- Elektronische Validierungs-Systeme
- Effiziente Implementierung eines elektronischen Validierungssystems
Sehr übersichtlich erläuterte Herr Dreher an einer Folie die Schwierigkeiten eines papierbasierten Systems zur Kommissionierung, Qualifizierung und Validierung (CQV). Ihm zufolge gibt es die folgende Herausforderungen:
- Dokumenten-Management
- Händische Eintragungen von Daten
- Zugriff auf Daten und deren Wiederfindung
- Datenintegrität und -sicherheit
- Versionskontrollen
- Compliance
- Effektivität
Siehe Abbildung 9.
Abbildung 9: “Challenges with Paper-Based CQV Systems”
Er unterschied dann sehr detailliert zwischen einem elektronischen Dokumentenmanagement- System und einem elektronischen Validierungssystem. Letztendlich ist letzteres einfach besser an die Aufgaben im Rahmen von Qualifizierungen und Validierungen angepasst. Er sieht die folgenden Vorteile eines elektronischen Validierungssystems:
- Gesteigerte Effizienz
- Verbesserte Korrektheit
- Verbesserte Rückführbarkeit
- Echtzeit-Zusammenarbeit
- Versions-Kontrollen
- Regulatorische Compliance
Siehe Abbildung 10.
Abbildung 10: “Benefits of Electronic Paperless Validation Systems”
Für Denis Dreher gibt es neun Herausforderungen beim Einsatz von elektronischen Validierungssystemen:
- Steuerung aller Beteiligten
- Harmonisierungen
- Datenmanagement
- Verständnis für Widerstände des Personals
- Validierung der Software
- Inhalt und Prozess
- Einbeziehung papierbasierter Dokumente im nicht papierbasierten System
- Änderungen in der Organisation, die sich auf die System- Konfiguration beziehen
- Lieferantenbewertungen
Als Hilfestellung zur Implementierung sieht er folgende Punkte:
- Projektmanagement
- (IT) Compliance-Expertise
- Kenntnis des (Kunden)Prozesses
- Fortlaufende Unterstützung in der Routine
Direkt danach referierten Alejandro Parisi von Roche und Saurabh Joshi von Valgenesis in einem gemeinsamen Vortrag zum Thema "Paperless Validation". Alejandro Parisi berichtete vom eValRoche-Tool. Roche begann 2018 mit der Auswahl von Lieferanten für den Softwareselektionsprozess. In einem fünfstufigen Entscheidungsprozess wählte Roche das System von Valgenesis aus (s. Abbildung 11 auf S. 35).
Abbildung 11: „Software Selection Process“
Die Benutzeranforderungen gliederten sich in 5 Kategorien auf:
- System-Anforderungen
- Elektronische Berichte und Unterschriften
- Dokumenten-Management
- Anforderungen an Daten und Berichte
- Validierungsausführungen
- Anforderungen an die Sicherheit und Zugriffsrechte
Dann stellte Alejandro Parisi verschiedene Möglichkeiten vor, ein solches System zu implementieren (gänzlich neues Projekt, neues Projekt mit der Einbindung von schon einfach laufenden Systemen, gänzlich neues Projekt mit der Einbindung von komplexeren Systemen). Die Implementierungsstrategie zeigte Parisi anschließend anhand einer Übersichtsfolie, s. Abbildung 12 auf S. 35.
Abbildung 12: „Implementierungsstrategie“
Zum Abschluss seines Vortrages zeigte Alejandro Parisi eine Übersicht über die folgenden generellen Vorteile des elektronischen Systems:
- Konsistenz und Transparenz
- Reduzierte Risiken und Ineffizienzen
- Unterstützung von Geschäftsprioritäten
Siehe Abbildung 13.
Abbildung 13: „General Benefits for Paperless Validation Lifecycle System“
Mit der Präsentation von drei Fallstudien aus verschiedenen Roche- Standorten beendete Alejandro Parisi seinen Vortrag. Als Erfahrung mit dem System nannte er:
- Der Zeitaufwand und die Zahl der Mitarbeiter werden um mehr als 50% reduziert.
- Das System ist ein Standardsystem.
- Die Software-Validierung muss nicht sehr umfangreich sein.
Im Anschluss an den Vortrag von Alejandro Parisi stellte Saurabh Joshi das Valgenesis System vor.
Fazit: Der ECA Good Practice Guide "Qualification and Validation - A guide to effective qualification based on Customer - Supplier Partnership" bietet in der Version 2.2 schon einen guten Überblick über die Zusammenarbeit von Kunden und ihren Lieferanten, wenn es um die Geräte-Qualifizierung geht. Gewünscht wurden ein einfacherer Zugang zum Guide und mehr Bezüge zu GEP, sowie mehr Praxisbeispiele/Fallstudien.
Hierzu ist es geplant, im Laufe des Jahre 2024 "Booklets" zu erstellen und mehr Bezüge zu GEP einzubinden. Die Gruppe wird im Jahre 2024 nach mehr Fallstudien Ausschau halten. Die Veröffentlichung der Version 3.0 ist für Anfang November 2024 geplant.
Der Guide ist für Mitglieder der Validierungsgruppe kostenlos erhältlich, s. www.validation-group.org
Über den Autor:
Sven Pommeranz
... ist seit 1996 bei CONCEPT HEIDELBERG und dort als Fachbereichsleiter für die Themenbereiche Validierung/Qualifizierung und Medizinprodukte verantwortlich.