Dichtheit von Reinräumen und Containment-Lösungen - Klassifizierung, Planung & Prüfung
Der Bedarf nach einer vereinheitlichten Definition und Prüfung der Luftdichtheit von Räumen nimmt zu. Gründe dafür sind unter anderem die zunehmende Verwendung von Wasserstoffperoxid und anderen flüchtigen Dekontaminationsmedien, der vermehrte Einsatz von toxischen Substanzen in der Pharmaindustrie und der zunehmende Umgang mit gefährlichen Krankheitserregern und gentechnisch veränderten Organismen. Auch bei Energieeffizienzanforderungen spielt die Luftdichtheit eine maßgebliche Rolle.
Alle bekannten Regelwerke (DIN EN ISO 9972, VDI 2083 Blatt 3 und DIN EN ISO 14644-3, DIN EN ISO 14644-7, ISO 10648- 2, Canadian Containment Standards for Veterinary Facilities, AS/NZS 2243-3) beschreiben unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Durchführung und sind bezüglich der Akzeptanzkriterien und der Messergebnisse nicht direkt vergleichbar. Es fehlt aber nicht nur an einer rein messtechnischen Standardisierung. Wenn die Raumdichtheit nicht ganzheitlich über alle Projektphasen betrachtet wird, wird womöglich vom Auftraggeber ein nicht näher spezifizierter "dichter" Reinraum bestellt und bei der Dichtheitsprüfung festgestellt, dass inakzeptabel große Leckluftvolumenströme vorhanden sind. In sehr aufwändiger Detailarbeit erfolgen dann Lecksuche und Korrektur. Viele fehlerhafte Installationen sind im Nachhinein nicht mehr oder nur mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand korrigierbar, da häufig die Zugänglichkeit nicht mehr gegeben ist. Dies betrifft vor allem Reinraumdurchdringungen, also Öffnungen für Zuleitungen, Kabel, etc. in Reinraumwänden und Decke.
Die häufigsten Schwachstellen für die Dichtheit sind in der Regel:
- Lüftungsnetz (Flansche, Einbauten, Anschlüsse), Lüftungsauslässe
- Anbindungen von Maschinen, Rohrdurchführungen
- Türen (Scharniere), Schließfalle
- Verbindungen/Durchführungen zu Nachbarräumen
- Fugen Wand- und Deckensystem
- Elektroinstallation, Kabeldurchführungen
- Monitoring Sensoren
Abbildung 1: Beispiel Lecksuche an Durchführungen, Quelle: N. Ferstl
Dabei sind die größten Probleme wie folgt:
- Schnittstellen der Gewerke (Durchführungen durch Wände und Decken) -> Wer ist der Systemverantwortliche?
- Keine Informationen der einzelnen Systemkomponenten (Leckage Budgets)
- Aufwendige Suche und Verbesserungen der Leckagen im Nachhinein ->Nachbessern
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Neuss, Germany26/27 November 2024
Endotoxin and Pyrogen Testing
Abhilfe schafft hier die VDI Richtlinie 2083 Blatt 19 von 08/2018. Diese im internationalen Raum weniger beachtete Richtlinie legt ein Verfahren zur Prüfung und Klassifizierung der Dichtheit von Containments, in der Regel Reinräume, Luftleitungen, jedoch auch vergleichbare Anlagen und Teile, fest und enthält Hinweise zur Herstellung von dichten Reinräumen. Das Verfahren ist sinngemäß auch auf andere Räume anwendbar, deren Dichtheit geprüft werden soll, wie:
- Reinräume im Allgemeinen
- Reinräume mit Dekontaminationssystemen, z. B. H2O2- Begasung
- Laboratorien mit speziellen Anforderungen
- Isolatoren
Die Anwendung auf ähnliche Bereiche (z. B. angrenzende kontrollierte Bereiche) mit speziellen Anforderungen ist möglich und sinnvoll. Die Richtlinie gilt für alle Räume, die im Betrieb einen Über- oder Unterdruck gegenüber der Umgebung benötigen, um ein Schutzziel (Produktschutz, Personenschutz, Umgebungsschutz, Umweltschutz) zu erfüllen. Die Luftdichtheitsanforderungen richten sich nach den Gefährdungen, die von Leckagen ausgehen können. Prüfumfang, Durchführung der Prüfung und, falls erforderlich, Lecksuche sind wiederum von den Dichtheitsanforderungen abhängig.
Im Besondern sollte hier wie folgt vorgegangen werden:
1) Ganzheitliche Betrachtung der Raumdichtheit über alle Projektphasen
- Auswahl von Raumdichtigkeitsklassen für die jeweilige Anwendung auf Basis einer Risikoanalyse (nur so hoch wie notwendig). Die Empfehlung der VDI wird im Anhang beschrieben
- Empfehlung für die Planung und Ausführung der Reinraumhülle mit Klärung der Schnittstellen zu prozess- und gebäudetechnischen Anlagen, die den Reinraum durchdringen,
- insbesondere die Reihenfolge der Arbeiten
- Zugängigkeit für Montage und Wartung
- Anschlüsse/Durchdringungen die später nicht mehr zugänglich sind, sollten wartungsfrei konstruiert sein und baubegleitend geprüft werden - Planung und Durchführung der Dichtigkeitsprüfung
2) Einheitliche Klassifizierung für verschiedenste Anwendungen im reinen Umfeld
3) Definierte und ausführlich beschriebene Mess- und Prüfverfahren
Ganzheitlicher Ansatz
Die VDI Richtlinie bietet eine einheitliche Klassifizierung für verschiedenste Anwendungen im reinen Umfeld ausgehend von Reinräumen über Isolatoren bis hin zu Hochsicherheitslaboren.
Die Klassifizierung der Luftdichtheit von Containments stützt sich auf die Definitionen in DIN EN 15727. Die Luftkanaldichtheitsklassen A bis D nach DIN EN 15727, welche nichts mit den EU GMP Reinraumklassen A-D zu tu haben, sind in die in der VDI Richtline dargestellten Dichtheitsklassen von Containments integriert und sind mit den Dichtheitsklassen 1 bis 4 identisch. Damit ist es möglich, ein Gesamtsystem, das aus einem oder mehreren Räumen und den zugehörigen Luftkanälen und Komponenten (z. B. Filter- und Klappengehäuse) besteht, als Einheit zu prüfen. Die Luftdurchlässigkeit ist auf die raumumschließenden Flächen des Containments bezogen. Da zu jedem Containment ein gewisser Anteil an Lüftungskanälen gehört, ergibt sich hier eine Übereinstimmung der Dichtheitsanforderungen. Ausgehend von der Festlegung der Dichtheitsanforderung wird der gesamte Planungsprozess beschrieben, bis hin zur Planung der Dichtheitsprüfungen. Darüber hinaus werden die baubegleitende Überwachung und die Qualifizierung/Requalifizierung thematisiert. Die Richtlinie empfiehlt, eine systemverantwortliche Person (Instanz) zu benennen, die die Gesamtkoordination aller Dichtmaßnahmen wahrnimmt. Diese Person begleitet die gesamte Planung, Realisierung und Qualifizierung bis zur Freigabe zur Nutzung. Bestandteil der Richtlinie sind auch ausführlich beschriebene Mess- und Prüfverfahren für das gesamte Containment, für Teilsysteme und Einzelkomponenten, die einem reproduzierbaren Nachweis der Dichtheit dienen.
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Alternative and Rapid Microbiological Methods
Die Dichtheit eines Containments wird durch die Festlegung einer Luftdichtheitsklasse (0-7) und eines Bezugsdifferenzdrucks definiert. Dieser ist in einer Grafik in der VDI Norm dargestellt. Für die Dichtigkeitsklassen gibt die Richtlinie folgende Empfehlungen:
- Klasse 0: Für belüftete Räume mit niedrigerer Anforderung als ISO 9 oder Energieeffizienzanforderungen generell (kann in einer GMP Facility zur Anwendung kommen)
- Klasse 1: Reinräume ISO 7 bis 9 oder Klassen C und D nach EU GMP
- Klasse 2: Räume, die während einer Begasung kontrolliert im Unterdruck gehalten werden
- Klasse 3: Reinräume ? ISO 6 - also Klasse B und besser nach EU GMP
- Klasse 4: Sicherheitslabore BSL3; Steril- Isolatoren und Räume, die begast werden
- Klasse 5: Sicherheitslabore BSL4, Wirkstoffisolatoren (High Potent)
- Klasse 6 / 7: Projektspezifische Sonderanforderungen für Räume mit extrem hohen Anforderungen an die Dichtheit, z.B. Hochsicherheitslabore (kommt in einer GMP Facility üblicherweise nicht vor)
Der gesamtheitliche Zusammenhang der Dichtheitsklassen 0 bis 7 und Reinraumklasse gemäß DIN EN ISO 14644 Teil 1 bzw. EU GMP Guideline Annex 1 ist der Abbildung im Anhang zu entnehmen.
Zusammenfassung
Die Dichtheit wird durch die Festlegung einer Luftdichtheitsklasse (0-7) und eines Bezugsdifferenzdrucks definiert. Die Anforderungen an die Dichtheit gelten als erfüllt, wenn das Containment den Grenzwert der Luftdurchlässigkeit beim Bezugsdifferenzdruck einhält. Anhand der Richtlinie können für alle relevanten Containments der Reinraumtechnik, die bei üblichen Differenzdrücken betrieben werden, die Dichtheitsanforderungen definiert und messtechnisch überprüft werden. Somit steht ein praxisorientiertes Verfahren zur Verfügung, das die Anforderungen an alle relevanten Projektphasen von der Planung über den Bau bis zur Qualifizierung beschreibt.
Über den Autor:
Nikolaus Ferstl
... ist technischer Leiter der Universitätsklinik und der Universität Regensburg. Außerdem ist er als freiberuflicher Berater für Gebäude- und Reinraumtechnik tätig.