Die Bedeutung des Delta-Ferrit-Gehalts (BN2) für den pharmazeutischen Anlagenbau

    

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Immer wieder findet man in den technischen Ausschreibungen für Pharmaanlagen die Anforderungen der Einhaltung der Basler Norm 2 (BN2) und damit eine Vorgabe für den Delta-Ferrit-Gehalt im Werkstoff Edelstahl von kleiner 0,5%. Einfluss hat der Delta-Ferrit-Gehalt auf die Korrosionsbeständigkeit - man ging aber auch davon aus, dass der geringe Anteil die Bildung von Rouge minimieren würde. Doch wie sieht es nach heutiger Auffassung mit der Einhaltung der BN2 aus?

Grundlagen

Ferrit ist eine Phase, die sich während der Erstarrung austenitischer nichtrostender Stähle ausscheiden kann, abhängig von den Verhältnissen der Legierungselemente. Die ferritische Phase besteht aus Kristallen mit einem kubisch-raumzentrierten (krz) Gitter im Gegensatz zum kubisch-flächenzentrierten (kfz) Gitter der austenitischen Matrix [1]. Das Vorhandensein von Ferrit in Schweißnähten austenitischer nichtrostender Stähle kann die Korrosionsbeständigkeit in einigen korrosiven Umgebungen verringern. Andererseits kann ein Mindest-Ferritgehalt erforderlich sein, um die spezifischen Eigenschaften bestimmter Produktformen, z. B. Gussstücke, zu erhalten oder um Heißrisse beim Schweißen dickwandiger Komponenten, z. B. Behälter aus Blech, zu verhindern.

Der Ferritgehalt austenitischer nichtrostender Stähle im Grundwerkstoff hängt stark von der Analyse, in erster Linie vom Chrom zu Nickel-Verhältnis, der Produktform und der abschließenden Wärmebehandlung ab. Die Chrom-Nickel-Molybdän-Stähle UNS S31603, 1.4404 und 1.4435 weisen in der Form von Blech, Rohr oder Stabstahl (Walkgefüge) im lösungsgeglühten Zustand typischerweise einen sehr geringen Ferritgehalt von 0-3 Vol.-% auf. Die entsprechende Gußwerkstoffe 1.4408 und CF8M oder 1.4409 und CF3M enthalten hingegen 10-20 Vol.-% ferritische Phase in der austenitischen Matrix.

Schweißnähte austenitischer nichtrostender Stähle haben in der Regel einen höheren Ferritgehalt als der Grundwerkstoff. Die Ursache dafür ist eine schnelle Abkühlung, die verhindert, dass die Umwandlung von Ferrit in Austenit bis zum thermodynamischen Gleichgewicht führt. Der Ferritgehalt von Schweißnähten nichtrostender Stähle im erstarrten Zustand lässt sich anhand von Diagrammen nach Schaeffler [2], DeLong [3] oder dem Welding Research Council (WRC) mit Hilfe von Chrom- und Nickeläquivalenten ermitteln. Das WRC-1992 Diagramm [4] verwendet das Chromäquivalent Cr (eq) = %Cr + %Mo + 0,7 %Nb und das Nickeläquivalent Ni (eq) = % Ni + 35 %C + 20 %N + 0,25 %Cu. Eine Wärmebehandlung nach dem Schweißen, z. B. Lösungsglühen von geschweißten Rohren, reduziert die Menge des Ferrits in der Schweißnaht. Es sollte beachtet werden, dass austenitische nichtrostende Stähle mit einem sehr hohem Nickelgehalt, z. B. 1.4539, und Nickellegierungen keinen Ferrit in Schweißnähten enthalten. Die Messung des Ferrits in Schweißnähten erfolgt magnetinduktiv gemäß AWS A4.2M [5] oder DIN EN ISO 8249 [6].

Auswirkungen von Ferrit im pharmazeutischen Anlagenbau

Ferrit im Grundwerkstoff und in den Schweißnähten kann sich je nach Art der Anwendung positiv oder negativ auswirken, bietet aber im Allgemeinen wenig Anlass zur Sorge im pharmazeutischen Anlagenbau. Laborkorrosionstests in hochkorrosiven Medien, z. B. 10 %iger Salzsäure, haben gezeigt, dass erhöhte Mengen an Ferrit im Schweißnahtgefüge die Korrosionsbeständigkeit herabsetzen können. [7] Untersuchungen von Schweißnähten mit unterschiedlichen Ferritgehalten zeigten bis 3 % Ferrit keinen Abfall der Korrosionsbeständigkeit. Erst ab ca. 5 %  Ferrit konnte eine Abnahme der Beständigkeit gegenüber chloridinduzierter Lochfraßkorrosion nachgewiesen werden. [8] In Pharmawassersystemen gibt es bislang keine Anzeichen von Korrosionsschäden in Zusammenhang mit  Delta-Ferrit in Schweißnähten. [9]

Verfahren zur Steuerung des Ferritgehalts in Schweißnähten von austenitischen nichtrostenden Stählen

In der Vergangenheit wurde in zahlreichen Spezifikationen ein maximal zulässiger Delta-Ferritgehalt von 0,5 % im Grundwerkstoff und Schweißnähten gefordert. Dies konnte in Schweißnähten in der Regel nur durch eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen erreicht werden:

  • (a) Lösungsglühen nach dem Schweißen
  • (b) Verwendung von Schweißzusatzwerkstoffen mit erhöhtem Nickelgehalt
  • (c) Erhöhung des Nickeläquivalents durch Zugabe von etwa 1-3 Vol.-% Stickstoff zum Schutzgas Argon

Diese Maßnahmen und die damit verbundenen qualitätssichernden Maßnahmen führten zu einem erhöhten Zeitaufwand und hohen Kosten. Nach heutigem Kenntnisstand ist die Anforderung an einen maximal zulässigen  Delta-Ferritgehalt von 0,5 % in Schweißnähten im pharmazeutischen Anlagenbau nicht erforderlich.

Um Ferritgehalte von mehr als 5 % in Schweißnähten austenitischer nichtrostender Stähle zu vermeiden, hat sich der Werkstoff 1.4435 mit zusätzlicher Einschränkung der Analyse nach BN2 bewährt [10]. Diese Werksnorm der Basler Chemischen Industrie wurde von deren Herausgebern 2012 ersatzlos zurückgezogen, dennoch haben sich alle namenhaften Stahlhersteller auf diese Einschränkung eingestellt und den Werkstoff 1.4435/BN2 in das Standardprogramm aufgenommen. Orbitalschweißnähte von Rohren aus diesem Werkstoffs zeigen im Mittel einen  Delta-Ferritgehalt von 3 %, also für den pharmazeutischen Anlagenbau korrosionstechnisch unkritisch. Weitere Maßnahmen zu Reduzierung des Ferritgehalts in Schweißnähten, wie oben beschrieben, sind nicht notwendig.

Fazit

Weltweit ist der Werkstoff UNS S31603 (316L) der am weitesten verbreitete Werkstoff im pharmazeutischen Anlagenbau. Die europäischen Werkstoffe 1.4404 und 1.4435 liegen beide innerhalb der Analysegrenzen des Werkstoffs UNS S31603. Dabei liegt der Werkstoff 1.4404 eher im typischen, unteren Bereich der Hauptlegierungselemente Chrom, Molybdän und Nickel. Der Werkstoff 1.4435/BN2 hingegen enthält signifikant höhere Gehalte der drei Hauptlegierungselemente und zeigt geringere Ferritgehalte in Schweißnähten. Von Bedeutung ist dieser Vorteil jedoch nur in Bezug auf die Minimierung des Risikos von Lokalkorrosion, wie beispielsweise chloridinduzierter Lochfraßkorrosion.

Quellen:
[1]  ASME BPE-2024 Bioprocessing Equipment, Nonmandatory Appendix G - Ferrite, The American Scociety of Mechanical Engineers, Two Park Avenue, New York, NY 10016-5990, 2024.
[2]  A. L. Schaeffler, "Constitution diagram for stainless steel weld metal," Metal Progress, Bd. 56 (11), pp. 680-680B, 1949.
[3]  W. T. DeLong, "Ferrite in austenitic stainless steel weld metal," Welding Journal, Bd. 53 (7), pp. 273-s - 286-s, 1974.
[4]  D. J. Kotecki und T. A. Siewert, "WRC-1992 Constitution Diagram for Stainless Steel Weld Metals: A Modification of the WRC-1988 Diagram," Welding Journal, Bd. 71 (5), pp. 171-s - 178-s, 1992.
[5]  AWS A4.2M:2020 (ISO 8249:2018MOD) Standard Procedures for Calibrating Magnetic Instruments to Measure the Delta Ferrite Content of Austenitic and Duplex Ferritic-Austenitic Stainless Steel Weld Metal, American Welding Society, 8669 NW 36 Street, #130 Miami, FL 33166, 2020.
[6]  DIN EN ISO 8249 Schweißen - Bestimmung der Ferritnummer (FN) in austenitischen und ferritisch-austenitischen (Duplex-)Schweißgut von Cr-Ni-Stählen, DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (Beuth Verlag GmbH, 10772 Berlin), 2018.
[7]  R. Morach, "Einfluß des Delta-Ferritgehaltes auf das Korrosionsverhalten," in Conference Proceedings International Symposium on Orbital Welding, La Baule, France, 24./25. April 1997.
[8]  S. R. Collins und P. C. Williams, "Weldability and Corrosion Studies of AISI 316L Electropolished Tubing," in Conference Proceedings INTERPHEX, S-29, New York, March 22, 2000.
[9]  T. Mathiesen, J. Rau, J. E. Frantsen, J. Terävä, P.-A. Björnstedt und B. Henkel, Using exposure tests to examine rouging of stainless steel, Pharm. Eng. 21, 90-97, 2002.
[10]  Basler Norm BN 2: Nichtrostender Stahl nach BN 2, BCI Basler Chemische Industrie, 2006.

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