Fachliche Voraussetzungen für Russisch-Dolmetschende bei GMP-Inspektionen

    

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Hinweis zur Sprache: in diesem Beitrag ist von "Dolmetschern" und "Übersetzern" die Rede. Zugunsten der Lesbarkeit wird im Artikel auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechend verwendete Begriffe stehen im Sinne der Gleichbehandlung stets wertfrei für alle Geschlechter.

Keine Firma kann es sich leisten, bei einer so wichtigen Angelegenheit wie einer GMP-Inspektion Risiken einzugehen. Welche Qualifikationen muss ein professioneller Dolmetscher bzw. Übersetzer für ein so herausforderndes und wichtiges Thema wie die GMP-Inspektion mitbringen?

Im Gegensatz zu anderen Einsätzen - etwa bei Gericht, wo der Dolmetscher öffentlich bestellt und beeidigt sein muss - bestehen für GMP-Inspektionen keine formellen Voraussetzungen. Weder "Dolmetscher" noch "Übersetzer" ist eine geschützte Berufsbezeichnung, so dass sich eigentlich jeder als Dolmetscher bzw. Übersetzer bezeichnen kann. Um die notwendige hohe Qualität der Dolmetscherleistung zu erhalten, sollten Unternehmen im Pharmabereich bei der Heranziehung von Sprachdienstleistern allerdings einiges beachten. Wegen der signifikanten Qualitätsunterschiede und der schwierigen Lieferantenqualifizierung ist es für jede Pharmafirma ratsam, nur bestens qualifizierte Übersetzer und Dolmetscher zu beauftragen.

Entgegen der verbreiteten Ansicht, dass Dolmetscher und Übersetzer lediglich ihre Muttersprache und die relevante Fremdsprache einwandfrei beherrschen müssen und damit bereits für eine reibungslose Kommunikation gesorgt sei, gilt dies bestenfalls für einfache allgemeinsprachliche Texte. Im Bereich der Pharma-Industrie reichen diese Qualifikationen nicht aus. Um hochwertige Sprachdienstleistungen im Pharmabereich erbringen zu können, gilt es eine Vielzahl von Faktoren zu beachten: So müssen die Dolmetscher und Übersetzer nicht nur die engspezialisierte Terminologie der Pharmazie (einschließlich pharmaspezifischer Abläufe, Prozesse und Dokumente in der russischen und deutschen Sprache) beherrschen. Notwendig sind auch Kenntnisse in zahlreichen weiteren Fachbereichen wie etwa Chemie, Medizin, Technik, Biologie, Biotechnologie und Recht. Unerlässlich ist außerdem eine hohe Konzentrationsfähigkeit über einen Zeitraum von 8-10 Stunden sowie die Fähigkeit, ständig zwischen zwei oder drei Sprachen (darunter Englisch) "umzuschalten". Zwar ist den Audit- bzw. Inspektionsexperten die große Menge an Informationen bewusst, welche von den Dolmetschern über die gesamte Dauer einer GMP-Inspektion verarbeitet werden muss. Dennoch wird eine exakte und schnelle Verdolmetschung von sehr komplexen fachspezifischen Inhalten erwartet. Häufig wird dabei Simultandolmetschen benötigt, eine Technik, die längst nicht jeder Übersetzer beherrscht.

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Um beim Simultandolmetschen die geforderte Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit aufrechtzuerhalten, soll man maximal 30 Minuten dolmetschen und sich mit einem Kollegen abwechseln. Tatsächlich kann eine solche Arbeitsteilung aber nicht immer gewährleistet werden. Im Allgemeinen wird jedem russischen GMP-Inspektor nur ein Dolmetscher für die Begleitung der Inspektion zugeteilt. Oftmals ist der Grund, dass möglichst wenigen Personen in vertrauliche Inhalte, die im Lauf einer GMP-Inspektion untersucht werden, einbezogen werden sollen. Im Rahmen von Produktionsbegehungen, die bei GMP-Inspektionen stattfinden, ist es oft auch schlicht nicht möglich mehr Personen in Produktionsbereiche einzuschleusen. Auch das spricht für eine möglichst kleine Zahl von Teilnehmern.

Das enorme Tempo sowie die hohe Zahl der Dokumente, die im Rahmen der GMP-Inspektion besprochen werden, stellen hohe Anforderungen an die Belastbarkeit und Ausdauer der eingesetzten Dolmetscher: Von ihnen wird erwartet, mehrere Stunden lang - oft ohne Pause - zu dolmetschen. Das Ergebnis der GMP-Inspektion hängt zu einem nicht unwesentlichen Teil von der Qualität der Leistung des Dolmetschers ab. Ein gewissenhaft arbeitender Dolmetscher ist sich dessen bewusst und steht dementsprechend unter einem spürbaren psychologischen Druck.

Überprüfung der fachlichen Eignung der Übersetzer und Dolmetscher im Bereich GMP

Zwar darf sich jedermann "Übersetzer" bzw. "Dolmetscher" nennen, doch den Begriff "Staatlich geprüfter Dolmetscher / Übersetzer" darf man nur verwenden, wenn man an einem Übersetzer- und Dolmetscherinstitut oder einer staatlich anerkannten Fachakademie eine Ausbildung absolviert und die abschließende Staatsprüfung mit Erfolg bestanden hat. Nur nach Vollendung eines Studiums an einer Universität oder Hochschule darf man sich also "Diplomierter Übersetzer / Dolmetscher" nennen. An diesen Bildungsinstituten werden über Jahre die in der Übersetzungs- und Dolmetschpraxis notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Dies erfolgt u.a. in den folgenden Fächern: Grammatik, Übungen zum Wortschatz, Idiomatik, allgemeine Sprachgrundlagen, Textanalyse und -verarbeitung sowie Sprechfertigkeit. Außerdem werden für das gewählte Fachgebiet die Fächer Fachkunde, Fachterminologie, Fachübersetzung und Steigreifübersetzung unterrichtet. In den Dolmetscherstudiengängen werden den angehenden Dolmetschern die notwendigen Fachkenntnisse sowie sämtliche Dolmetschtechniken vermittelt. Dazu gehören Konsekutivdolmetschen, Gesprächsdolmetschen, Flüsterdolmetschen, Simultandolmetschen sowie Recherchemanagement und Vorbereitungsmethodik. Des Weiteren wird an Hochschulen, Fachakademien und Sprachinstituten im Rahmen der Ausbildung die bei GMP-Inspektionen häufig verwendete Notizentechnik intensiv geübt. Dank des jahrelangen Trainings, der Simulation praxisnaher Situationen und zahlreicher Übungen mit erfahrenen Dozenten verfügen Dolmetscher und Übersetzer mit abgeschlossener Ausbildung über eine deutlich höhere Qualifikation als Laien. Natürlich gilt es, diese Fähigkeiten in jahrelanger Berufspraxis ständig zu erweitern, zu vertiefen und sich zu spezialisieren. Nicht umfassend ausgebildete Dolmetscher, welche Deutsch und Russisch im Alltag zwar gut beherrschen, erreichen bei Weitem nicht die Qualität von qualifizierten Sprachmittlern.

Wer nicht über eine Empfehlung an einen qualifizierten Russisch- Übersetzer / Dolmetscher gelangt, muss wohl oder übel im Internet suchen. Es sollte dann nicht nur geprüft werden, ob die Schwerpunkte der Dolmetscher- und Übersetzungstätigkeit für den eigenen Bedarf zutreffend sind. Man sollte sich außerdem Zeugnisse und Ausbildungsnachweise schicken lassen und überprüfen.

Tests für Dolmetschdienstleister

Einige Firmen organisieren im Vorfeld von GMP-Inspektionen (ob diese nun "remote" oder vor Ort stattfinden) eine Test-Videokonferenz mit den bestellten Dolmetschern. Dabei werden ihnen u.a. Videos gezeigt und erklärt, die von den Mitarbeitern der jeweiligen Abteilung am Standort in der Eröffnungsbesprechung den GMP-Inspektoren präsentiert werden. Die Dolmetscher erhalten auf diese Weise die Gelegenheit, sich an das Tempo der Sprecher zu gewöhnen, erklärungsbedürftige Sachverhalte zu erörtern und sich auf die bevorstehende Inspektion fachlich und organisatorisch vorzubereiten. Bei einigen Pharmaunternehmen wird diese Maßnahme um einen unangekündigten Test erweitert. Die Dolmetscher werden dabei zur spontanen Verdolmetschung von Fachbegriffen, Textabschnitten oder auch Videos mit Pharma-Kontext aufgefordert. Auch wenn diese Vorgehensweise für manche Dolmetscher überraschend erscheint, so bedeutet sie für die Auftraggeber den Vorteil, bei der Auswahl des richtigen Dolmetschdienstleisters auf Nummer sicher zu gehen. Wenn noch genug Zeit bis zum Beginn der russischen GMP-Inspektion bleibt, kann noch ein anderes, besser geeignetes Team für den herausfordernden Dolmetscheinsatz gebucht werden. Die wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken auf Seiten der Pharmaunternehmen sind zu groß, um eine GMP-Inspektion aufgrund von Falschverdolmetschung wegen der mangelnden Kompetenz oder nicht vorhandener Erfahrung der Russisch-Dolmetscher (was in der Praxis tatsächlich vorkommt) nicht zu bestehen. Daher sollten ausschließlich professionelle Dolmetscher und Übersetzer mit Spezialisierung auf Pharma und GMP beauftragt werden, welche den komplexen Inhalten sprachlich und fachlich gewachsen sind und die nötige Ausdauer und Erfahrung mitbringen, um das erfolgreiche Bestehen der GMP-Inspektion zu gewährleisten.

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Abgesehen von der Möglichkeit, in dem vorangehenden Videomeeting einige den Ablauf betreffende Punkte zu besprechen, besteht ein weiterer Vorteil dieses Kennenlern-Treffens für die Teilnehmer darin, eventuell neu eingestellte Mitarbeiter der Pharmafirma in die Arbeitsweise der Dolmetscher und den Verlauf der Inspektion einzuführen.

Richtige Experten sind gefragt - und oft ausgebucht

Es ist ratsam, möglichst früh die Dienste von Russisch-Dolmetschern mit GMP- und Pharma-Spezialisierung zu buchen - denn es gibt in Deutschland wegen der hohen Komplexität dieser Tätigkeit nur sehr wenige davon. So wurden etwa in der Woche vom 09. bis zum 13.08.2021 fünf unterschiedliche Standorte in Deutschland von den GMP-Inspektoren des GILS i NP des russischen Ministeriums für Industrie und Handel inspiziert. Dazu kommen möglicherweise noch GMP-Inspektionen anderer russischer Behörden (z. B. Rosselkhoznadzor bzw. VGNKI für die Aufsicht und Zulassung im Bereich Tiergesundheit) sowie durch die Zulassungsbehörden weiterer Länder. Gefragte Dolmetscher sind außerdem nicht nur in Deutschland, sondern auch häufig in der Schweiz, Österreich und anderen Staaten im Einsatz. Daher sind die Russisch-Dolmetscher mit Spezialisierung auf Pharma und GMP oft nicht kurzfristig verfügbar. Es gilt bei Dolmetschern also auch heute noch, was vor vielen Jahren der Russisch-Dolmetscher des ehemaligen Staatspräsidenten der Sowjetunion Gorbatschow als Übersetzung des russischen Satzes „Кто не успел, тот опоздал“ (wörtliche Übersetzung ins Deutsche: "Wer es nicht geschafft hat, der ist zu spät") treffend formuliert hat: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."

 

Autor:
Alexander Podarewski
... ist Geschäftsführer von GMP-inspection.com in Nürnberg.

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