FDA und EU GMPs - Immer in Einklang? Gemeinsamkeiten und Unterschiede der GMP-Anforderungen

    

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Oft tritt während der Zusammenarbeit mit dem FDA-regulierten US-Markt die Frage auf, wo denn eigentlich die Unterschiede zu den europäischen GMP-Anforderungen liegen. Dies wird auch noch nach dem finalen Inkrafttreten des MRA1 im nächsten Jahr gelten. Jedes Unternehmen, welches seine Produkte im US-Markt vertreiben möchte, muss die Besonderheiten kennen.

"Die FDA ist viel strenger" bekommt man häufig zu hören. Doch ist das wirklich so? Welche Unterschiede gibt es? Und wo liegen die Gemeinsamkeiten?

Um diese Fragen zumindest annäherungsweise beantworten zu können, sollte man sich die entsprechenden kulturellen Unterschiede vor Augen führen.

Die Europäische Union (EU) ist ein aus derzeit noch 28 europäischen Staaten bestehender Staatenverbund eigener Prägung. Die Länder der EU kommen im Moment zusammen auf mehr als 510 Millionen Einwohner - mit einer Vielzahl unterschiedlicher Kulturen und Sprachen. Die einzelnen Mitgliedsstaaten delegieren dabei Teile ihrer Souveränität, so dass Entscheidungen und Vorgaben über einige bedeutende gemeinsame Interessen auf europäischer Ebene gefällt werden können. Zu unterscheiden ist zwischen:

  • EU-Verordnungen (Regulations): direkt bindend und wirksam, keine Modifikationen möglich und keine Umsetzung in nationales Recht nötig
  • EU-Richtlinien (Directives): verbindlich hinsichtlich des Ziels, eine Umsetzung in nationales Recht ist erforderlich, geringe Modifikationen sind hierbei möglich
  • EU-Entscheidungen (Decisions): diese sind im Einzelfall rechtlich verbindlich,  der Adressat wird speziell benannt
  • EU-Leitlinien (Guidelines): rechtlich nicht direkt verbindlich, dokumentieren aber den Stand der wissenschaftlichen bzw. technischen Erkenntnisse und definieren eine Erwartungshaltung, begründete Abweichungen sind möglich

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Die meisten Verantwortlichkeiten und vor allem die Arzneimittelüberwachung liegen dabei bei den einzelnen Mitgliedsstaaten. Durch föderale Systeme in den einzelnen Staaten gibt es weit mehr als 28 Überwachungsbehörden innerhalb der EU. In den USA gibt es zwar auch viele so genannte "District Offices" mit Überwachungsfunktion, doch gehören diese alle zur gleichen Behörde - der FDA.

Die Vereinigten Staaten von Amerika umfassen 50 Bundesstaaten mit derzeit etwas mehr als 300 Millionen Einwohnern. Neben Englisch wird in einigen Landesteilen und Großstädten auch Spanisch gesprochen. Die FDA muss sich also nicht mit 28 souveränen Staaten abstimmen. Sie ist auch in der Ausführung ihrer Arbeit unabhängiger von politischen Gegebenheiten. Ihr obliegen sowohl die Arzneimittelzulassung als auch die Arzneimittelüberwachung. Ihre Autorität ist klar definiert und wird akzeptiert.

Innerhalb der Staaten der EU gibt es eigentlich keine genau übereinstimmenden GMP-Regeln. Hauptsächlich in Richtlinien und Leitlinien festgelegt, ist es den Mitgliedsstaaten gestattet, diese Forderungen den jeweiligen Gegebenheiten und bestehenden staatlichen Vorgaben anzupassen. Hinzu kommen Verschiedenheiten in der zeitlichen Umsetzung. Das beste Beispiel ist hier die sehr späte Einführung der Sachkundigen Person (Qualified Person) in Deutschland und die davor bestehende Gewaltenteilung zwischen Herstellungsleiter und Kontrollleiter mit quasi ungeregelter Freigabeverantwortlichkeit.

Wo liegen nun aber die Unterschiede auf Basis der GMP-Vorgaben?

Die europäischen Vorgaben sind zum größten Teil detaillierter beschrieben. Die FDA wurde hierfür oft kritisiert. Als Beispiele sind zu nennen: Prozessvalidierung, Selbstinspektion, Anforderungen an das Personal oder die unterschiedlichen Rollen von Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle. Die eigentlichen GMP-Vorgaben in den USA mit Gesetzescharakter (Code of Federal Regulations, CFR) haben sich seit 1978 nur marginal geändert und entsprechen nicht mehr ganz dem Stand von Wissenschaft und Technik. Eine Vielzahl von Guides und Guidances (zum Teil über Jahre in der Entwurfsversion) erschweren dazu die Übersichtlichkeit. Die EU steht mit ihrer Vielzahl an Dokumenten dem allerdings in nichts nach.

Die FDA sieht es letztendlich als Verantwortung der Industrie, mit Hilfe von Guides und Guidances, Inspectional Guidelines, Warning Letters, FDA Präsentationen und Workshops usw. auf dem Laufenden zu bleiben ("current"). Daher auch die Begrifflichkeit des cGMP ("current GMP"). Die Erwartungen der EU sind deutlicher zu erfassen.

Unterschiede liegen außerdem in den Erwartungen an die Herstellung klinischer Prüfpräparate. Diese sind innerhalb der EU ausführlicher und detaillierter geregelt. Ein Beispiel sind die Anforderungen an die Etikettierung von Prüfpräparaten. Eine (weltweite) Harmonisierung ist hier absolut vonnöten. Auch die Freigabe ist anders geregelt ("two-step release procedure").

Einer der größten Unterschiede besteht generell in der Freigabe von Arzneimitteln. Eine direkte persönliche Verantwortung, wie die der Qualified Person, kennt die FDA nicht - weswegen es immer wieder eine Herausforderung darstellt, diese Rolle den amerikanischen Kollegen zu erklären.

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Weitere Punkte sind die Anforderungen zur Herstellung aseptischer (parenteraler) Darreichungsformen und bei der Prozessvalidierung. Dazu gehört beispielsweise die Forderung im Anhang 15 zum EU-GMP-Leitfaden, nämlich auch nicht-kritische Attribute und Parameter im Validierungsplan aufzuführen. Die FDA-Prozessvalidierungsleitlinie fordert nur die Angabe von kritischen Qualitätsattributen und kritischer Prozessparameter. Einen weiteren Unterschied sieht die FDA hinsichtlich der Prozessvalidierungsansätze. Im Annex 15 sind drei Ansätze genannt (traditionell, continuous process verification, hybrid), während in der FDA-Prozessvalidierungsleitlinie nicht differenziert wird. Weiterhin unterscheiden sich die Anforderungen an Statistik in beiden Dokumenten. Auch verlangt die FDA-Prozessvalidierungsleitlinie eine höhere Anzahl an Proben in der Stufe 3 des Prozessvalidierungslebenszyklusses (continued/ ongoing process verification), zumindest bis ausreichend Daten vorhanden sind, um Variabilitäten abschätzen zu können. Diese Forderung nach erhöhter Anzahl nach Proben in der ongoing process verification ist im Annex 15 nicht gefordert. All dies kann auch im Rahmen der Zulassung für den US-Markt eine Rolle spielen.

Quality Reviews

Das Ziel des "Annual Product Review" (APR) der FDA ist es zu bestätigen, dass jede Produktcharge, die während des Erstellungszeitraums freigegeben wurde, dem registrierten Prozess und der Spezifikation entspricht. Das eher ganzheitliche Ziel des EU "Product Quality Review" (PQR) besteht dagegen darin, sich auf das Qualitätssystem und die Prozesse zu konzentrieren, um zu zeigen, dass sie kontinuierlich Produkte von gleichbleibend guter Qualität herstellen. APR und PQR haben aber letztendlich das gleiche Ziel: den Qualitätsstatus der Produkte regelmäßig und aktuell zu bewerten. Allerdings enthält der PQR zusätzlich Daten zu

  • Herstellungsprozessen
  • Änderungen an Produktspezifikationen
  • Prozessparametern
  • Ausrüstung und Geräten sowie deren Qualifizierungs- und Validierungsstatus

Und so finden sich im Detail weitere, oft marginale Abweichungen in der weiten Landschaft der Regelwerke.

Ob die Anforderungen der FDA nun strenger sind? Dies zu beurteilen bleibt jedem selbst überlassen. Die Art und Weise, wie die einzelnen Behörden ihre Inspektionen gestalten, mag diesen Schluss möglicherweise zulassen. Während europäische Inspektoren eher versuchen, den Prozess zu verstehen, die Umsetzung vor Ort überprüfen und feststellen möchten, dass in Zukunft sichere Arzneimittel hergestellt werden können, sind FDA-Inspektoren meist damit beschäftigt, die Dokumentation bereits hergestellter Arzneimittel genauestens zu überprüfen und den von ihnen vermuteten Betrug zu entlarven. Wohl deswegen nennen sie sich "Investigators". Aber wie so oft hängt das jeweilige Vorgehen auch stark von der Persönlichkeit und der Erfahrung des Inspektors ab, so dass eine Verallgemeinerung kaum möglich ist.

Im Großen und Ganzen überwiegen aber die Gemeinsamkeiten. Das Ziel, nämlich sichere, wirksame und qualitativ einwandfreie Arzneimittel zum Wohl der Bevölkerung zu erhalten, ist gleich. Viele Initiativen zielen auf eine weitgehende Harmonisierung von Vorgaben (z.B. ICH). Wichtig im internationalen Geschäft ist es natürlich, die jeweiligen Anforderungen und Erwartungen genau zu kennen und dabei nicht zu vergessen, dass es die nationalen Gesetze und Verordnungen sind, die beachtet werden müssen. Das pharmazeutische Regelwerk, vor allem in Europa, ist einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen und es ist wichtig, diese im Gesamtkontext zu verstehen und umzusetzen.

 

Autor:
Wolfgang Schmitt
… wechselte 2006 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Qualitätssicherung, GMP und GDP.

 

Fußnoten:
1 EU-FDA Mutual Recognition Agreement ( MRA) für GMP-Inspektionen von Humanarzneimittelherstellern

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