GMP Update 2016/2017 – Was gibt es Neues in der EU? Teil I

    

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"Man hat den Eindruck, die GMP-Welt dreht sich immer schneller". So begannen in letzter Zeit öfters die Artikel über die aktuellen Änderungen im GMP-Bereich. Im zurückliegenden Jahr hat sie sich etwas langsamer gedreht. Dennoch waren die Entwicklungen nicht minder interessant. Dies wurde auch klar in einem Live-Webinar, präsentiert von Dr. Bernd Renger im vergangenen Dezember1. Ihm gebührt auch der Dank für den Großteil der Informationen in diesem Artikel.

Die Richtlinie 2011/62/EU, die sogenannte Fälschungsrichtlinie, und die daraus nachfolgenden Änderungen und Anpassungen in anderen Bereichen, ziehen immer noch ihre Kreise.

Der Stichtag rückt näher: Auf den Verpackungen aller verschreibungspflichtigen Medikamente, aber auch kritischer freiverkäuflicher Arzneimittel, werden ab 2018 Sicherheitsmerkmale anzubringen sein, die die Identifikation und eindeutige Rückverfolgung erlauben. Die äußere Umhüllung oder - sofern nicht vorhanden - die Primärverpackung jedes Arzneimittels muss Sicherheitsmerkmale aufweisen, die es ermöglichen, die Echtheit des Arzneimittels zu überprüfen und einzelne Packungen zu identifizieren. Weiterhin bedarf es einer Vorrichtung, die es ermöglicht, zu überprüfen, ob die äußere Umhüllung manipuliert worden ist. Die sachkundige Person wird verpflichtet sein, bei der Zertifizierung einer Charge zu prüfen, ob die Sicherheitsmerkmale korrekt angebracht wurden.

Die Umsetzung wird über einen 2D Matrix Code erfolgen, der von üblichen Scannern gelesen werden kann (es wird empfohlen, Barcodes zu verwenden, die den Anforderungen der International Organization for Standardisation/ International Electrotechnical Commission (ISO/IEC) 16022:2006 entsprechen). Die technischen und organisatorischen Details zu den Sicherheitsmerkmalen wurden mit der Delegierten Verordnung (EU) 2016/161 am 9. Februar 2016 veröffentlicht. Bis zum 9. Februar 2019 müssen die Vorgaben endgültig umgesetzt werden, wobei Ländern, die ähnliche, bereits bestehende Systeme haben und diese an die neuen Anforderungen Anforderungen angleichen müssen, eine Übergangsfrist eingeräumt wurde.

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Letztendlich ist es ein "End-to-End" Überprüfungssystem. Diskutiert werden aber mögliche Überprüfungen (und Deaktivierungen) auch auf Großhandelsebene, abhängig von der Art der Abgabe.

Im Endeffekt bedeutet dies, dass die europäischen Lieferketten für (verschreibungspflichtige) Arzneimittel vollständig digitalisiert werden! Da hier eine Menge an Daten anfallen wird, stellt sich die Frage, wo diese Daten alle gespeichert werden sollen. Die benötigten Datenspeicher und -abrufsysteme sollen von einer "nicht gewinnorientierten Rechtsperson" oder von "nicht gewinnorientierten Rechtspersonen", die in der Union von Herstellern und Zulassungsinhabern gegründet werde(n), bereitgestellt, eingerichtet und verwaltet werden. Das wird spannend.

Der Code selbst sollte 50 Zeichen nicht überschreiten und weltweit individuell sein, was durchaus eine Herausforderung sein kann. In der kompletten Einführungsund Umsetzungsphase ist hier eine erhebliche Anstrengung von Nöten und einige Firmen müssen sich mittlerweile sputen, die gesetzten Zeitvorgaben einzuhalten.

Der Anhang 1 zum EU-GMP Leitfaden (Manufacture of Sterile Medicinal Products) Zum Anhang 1 des EU-GMP Leitfadens (Herstellung steriler Arzneimittel) gab es bereits 2015 ein Concept Paper (die Konsultationsphase endete März 2015). Einen ersten Entwurf des revidierten Anhangs zur Kommentierung gab es aber bislang nicht - und es gab bereits Gerüchte, dass dieser nie kommen wird. Ganz so drastisch ist die Entwicklung aber nicht. Letztendlich hat sich die Veröffentlichung v.a. durch die Änderung der entsprechenden ISO-Norm verzögert, und der Entwurf wird bereits intern bei der EMA diskutiert und soll noch im ersten Halbjahr veröffentlicht werden.

Im Grunde geht es um die folgenden Änderungen und Ergänzungen:

  • Anwendbarkeit auf nicht-sterile Produkte (Raumklassen) und auf Produkte in frühen Entwicklungsstadien
  • Erweiterter Einsatz von Prinzipien des Qualitätsrisikomanagements (Design und Betrieb von Räumen, Anlagen und Prozessen)
  • Berücksichtigung der neuen Pharm. Eur. Monographie für WFI (Herstellung durch Umkehrosmose gekoppelt mit anderen Technologien)
  • Anpassung an andere internationale Regelwerke (FDA Aseptic Guide)
  • Anpassung an Revisionen in anderen Kapiteln des EU-GMP Leitfadens
  • Klärung von bisher umstrittenen oder mehrdeutigen Anforderungen (dies bleibt zumindest zu hoff en)
  • Harmonisierung mit der revidierten EN ISO 14644-1 betreff end Klassifizierung von Reinräumen

Revision der ISO 14644-1
Die neue EN ISO 14644-1:2015-12 für Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche - (Teil 1: Klassifizierung der Luftreinheit anhand der Partikelkonzentration) wurde am 1. Nov. 2015 veröffentlicht und gilt seit 1.Januar 2016. Die deutsche Fassung DIN EN ISO 14644-1 ist seit 1. Juni 2016 verfügbar. Die Norm wird im Anhang 1 des EU-GMP Leitfadens berücksichtigt (siehe oben) und gilt somit als Stand der Technik für die Durchführung der Partikelmessungen im Reinraum, wie sie bei der Qualifizierung und im Rahmen der regelmäßig wiederkehrenden Messungen durchgeführt werden. Die neue deutsche Fassung der DIN EN ISO 14644 ist im Beuth Verlag erhältlich und entspricht inhaltlich der englischen Fassung.

Eine Übergangsfrist zur Umsetzung der Änderungen, wie z.B. die Festlegung der Messpunkte, ist nicht genannt. Hier hilft im Zweifelsfall das Gespräch mit dem zuständigen Inspektorat.

Im Wesentlichen umfasst die neue Version folgende Änderungen:

  • Die Anzahl der Messpunkte wird nicht mehr aus der Wurzel der Fläche berechnet, sondern ist in einer Tabelle vorgegeben
  • Die statistische UCL-Berechnung entfällt: eine Betrachtung aller Messpunkte im Raum muss nicht mehr durchgeführt werden, jeder Messpunkt wird für sich betrachtet und muss den Grenzwert erfüllen
  • Wegfall der bisherigen Grenze von 29 Partikeln für 5?m Partikel bei ISO 5 (100,000), da dies messtechnisch nicht sinnvoll ist. Auch bei den ISO-Klassen 1-3 werden diejenigen Partikelgrößen eliminiert, die durch einen geringen Zählwert gekennzeichnet waren. Geringe Partikelzahlen erfordern (zu) hohe Probemengen für statistisch gesicherte Aussagen. Dies erfordert wiederum eine Anpassung im Anhang 1, da diese Grenzwerte dort noch definiert sind

Die Vorgaben sind recht klar. Interessant wird werden, inwieweit im revidierten Anhang 1 ein risikobasierter Ansatz zur Festlegung der Anzahl der Messpunkte noch möglich sein wird.

Anhang 17 des EU-GMP Leitfadens (Real Time Release Testing)

Der Anhang 17 des EU-GMP Leitfadens (Real Time Release Testing) soll komplett umgestaltet werden. Das revidierte Dokument wurde am 15. September 2015 veröffentlicht, die Konsultationsphase endete am 11. Dezember 2015. Die Antworten im Rahmen der öffentlichen Konsultation wurden im Juli 2016 veröffentlicht - mit einigen interessanten Kommentaren.

Schon die Namensänderung signalisiert eine totale Neuausrichtung. Der derzeitige Anhang 17 "Parametrische Freigabe" ist letztendlich limitiert auf die Anwendung für die routinemäßige Freigabe von im Endbehältnis sterilisierten Produkten ohne Steriltests auf Grund von Sterilisationsparametern. In der Revision sollen nun auch die Grundsätze der Konzepte von ICH Q8, Q9, und Q10 implementiert werden. Ein Real Time Release-Ansatz soll zukünftig in der Zulassung verankert sein. Dann können Zertifizierung und Freigabe einer Charge auf der Überwachung und Steuerung kritischer Prozessparameter und relevanter Materialeigenschaften basieren, auf einer ausreichenden Produkt- und Prozesskenntnis und einer Kombination aus In-Prozess-Monitoring und Kontrollen, die ausreichende Daten liefern. Dann wäre eine Chargenfreigabe zu rechtfertigen, ohne ein Muster des Fertigprodukts erneut zu testen.

Die sachkundige Person (Qualified Person, QP) zertifiziert dann auf Basis der Ergebnisse aus Überwachung und Steuerung kritischer Prozessparameter und relevanter Materialeigenschaften. Daten aus einer abschließenden, analytischen Qualitätskontrolle spielen dann quasi keine Rolle mehr. Dies ist ein Paradigmenwechsel, der vielen schwer fallen wird. Erfahrungen liegen hier kaum vor. Daher gibt es ein großes Interesse an entsprechenden Fallstudien. Sollte der geneigte Leser hierzu etwas haben, freut sich der Autor dieser Zeilen über eine entsprechende Rückmeldung.

Neuer Anhang 21 - Importers of Medicinal Products

Auch bezüglich der Veröffentlichung des komplett neuen Anhangs 21 zum Import von Arzneimitteln gab es Gerüchte, dass dieser wieder in der Versenkung verschwinden wird. Das "Concept Paper" wurde bereits am 13. Mai 2015 veröffentlicht (EMA/238299/2015), und die Konsultationsphase endete im August 2015. Aber der Anhang lebt! Derzeitiger Knackpunkt ist die Diskussion um das Vorgehen bei einem rein finanziellen Besitzerwechsel ("financial import and export"), bei dem die Ware in der EU verbleibt, aber ein Eigentümerwechsel in ein Drittland (z.B. Schweiz) erfolgt.

ICH Q3D Leitlinie zu Elemental Impurities

Die ICH Q3D Leitlinie zu Elemental Impurities und die dazugehörigen Papiere anderer Behörden begleiten uns jetzt schon ein ganze Weile. Bereits im Februar 2015 hat die EMA die Guideline "Elemental impurities in marketed products. Recommendations for implementation" (EMA/CHMP/QWP/109127/2015) veröffentlicht. Adressaten dieser Empfehlungen sind Arzneimittelhersteller und die nationalen Zulassungsbehörden. Letztere sollen sich bei ihren Aktivitäten an diese Empfehlungen halten, um ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten. Das soll auch die Arbeitsbelastung bei der Bearbeitung von Variations verringern, die dann nach gleichen Kriterien bewertet werden.

Nun wurde die EMA Guideline "ICH Q3D on Elemental Impurities "(EMA/CHMP/ICH/353369/2013) am 25. Juli 2016 veröffentlicht (als Step 4 Dokument bereits im Dezember 2014). Neue Zulassungen sind unmittelbar betroffen, für Arzneimittel zur Anwendung am Menschen mit bestehender Zulassung gilt Dezember 2017. Hier ist keine Änderungsanzeige notwendig, wenn die durchgeführte Risikobewertung ergibt, dass weder zusätzliche Kontrollen, Austausch oder Änderung der Qualität von Materialien oder eine Änderung des Herstellprozesses notwendig sind.

Auf Basis der Risikobewertung soll auch eine Kontrollstrategie entwickelt werden, um die Einhaltung der Permitted Daily Exposures (PDE) Grenzen zu gewährleisten.

Diese Risikoanalyse hat es aber in sich, ist sie doch mit vielen analytischen Daten zu untermauern. Und leider wird in den Unternehmen ein sehr bzw. zu hoher Aufwand diesbezüglich betrieben. Wie sagte ein nicht näher genannter Behördenvertreter auf eine Veranstaltung im letzten Jahr (2016) hierzu so schön? "We created a monster".  

Was sind eigentlich die möglichen Quellen für diese Verunreinigungen? In Hilfsstoffen entstehen diese hauptsächlich durch Abbau (z.B. Talk, Salz), bei der Synthese unter Verwendung von Metallkatalysatoren (z.B. Mannitol), bei der Synthese ohne Verwendung von Metallkatalysatoren (z.B. Kolloidales SiO2) oder auch bei Hilfsstoffen pflanzlicher Herkunft (z.B. Cellulose Derivate) oder tierischer Herkunft (z.B. Laktose und Gelatine). Bei Wirkstoffen werden Katalysatoren als eine der wichtigsten Quellen des Eintrags von ‚elemental impurities' gesehen, aber nicht als die einzige.

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Deswegen gab es von der EMA jetzt noch einen weiteren Entwurf zu einer Guideline zu diesem Themenkomplex: Die Draft EMA Guideline "Implementation strategy of ICH Q3D" (EMA/404489/ 2016). Zweck des Dokuments ist es, eine Hilfestellung für die Umsetzung von ICH Q3D im europäischen Kontext zu geben. Bisher und seit September 2008 gilt die CHMP Guideline "on the Specification Limits for Residues of Metal Catalysts or Metal Reagents". Die Aufgabe für die europäischen Behörden ist es nun, diesen Wechsel zu koordinieren und die regulatorischen Erwartungen zu harmonisieren.

Draft FDA Guide - Request for Quality Metrics

Die US Food and Drug Administration (FDA) hatte bereits 2015 eine Initiative gestartet, um sog. Quality Metrics für die Planung ihrer risikobasierten Inspektionen zu nutzen. Ein erster Entwurf einer Guideline wurde im Juli 2015 zur Kommentierung durch Verbände und Industrie veröffentlicht. Wunsch der FDA ist es, dass Hersteller nach In-Kraft-Setzung definierte Qualitätskennzahlen - die Quality Metrics - über ein elektronisches Portal an die US FDA übermitteln. Daraus berechnet die FDA spezifische Statistiken, welche eine risikobasierte Steuerung und Planung der FDA-Inspektionen erlauben sollen.

Im November 2016 wurde nun eine erste Revision des Entwurfs veröffentlicht. Was ist nun neu im überarbeiteten Entwurf?

  • Das Programm beginnt mit einer freiwilligen Phase, die bis 2018 dauern soll. Nach diesem relativ kurzen Zeitraum soll das Programm dann verbindlich werden.
  • Der Umfang wird sich auf drei verschiedene Kern- Matrices reduzieren, was zu mehr Flexibilität und einer Reduzierung des Meldeaufwands führen soll: Lot Acceptance Rate (LAR), Product Quality Complaint Rate (PQCR) und Invalidated Out-of-Specification Rate (IOOSR) plus drei optionale Metrics.
  • Sowohl produkt- als auch standortspezifische Berichte wären möglich

Das revidierte Dokument enthält dazu diverse illustrierende Beispiele.

Im Juni 2016 wurde bereits der FDA Quality Metrics Technical Conformance Guide veröffentlicht. Dieser legt die Datenstruktur und Inhalte der zu meldenden Daten fest. Dafür werden technische Standards und Felder definiert. Prinzipiell orientiert sich die FDA an den Datenstandards, die bereits in anderen Bereichen etabliert sind. Der sogenannte Study Data Technical Conformance Guide der FDA dient dabei als Grundlage. Als Format für den Datenaustausch soll XML dienen, ein Standard, der in der Industrie weit verbreitet ist und auch für die Datenübermittlung im Zulassungsbereich z.B. beim eCTD von der FDA und anderen Behörden verwendet wird.

Was das Jahr 2017 noch an Veränderungen bringt, beschreibt Teil II dieses Beitrags in der nächsten Ausgabe des GMP Journals.

 

Autor:
Wolfgang Schmitt
... wechselte 2006 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Qualitätssicherung, GMP und GDP.

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