GMP-Update – Was gibt es Neues in der EU? Teil I
Im Jahr 2016 hat sie sich die GMP-Welt etwas langsamer gedreht. Nun nimmt sie wieder Fahrt auf. Denn derzeit gibt es einige entscheidende Änderungen - auch mit Konsequenzen für die deutsche Gesetzgebung. Zwar werden derzeit nicht viele Vorgaben geändert oder neu eingeführt, aber da wo es Änderungen gibt, sind diese zum Teil erheblich (so z.B. für Hersteller von Prüfpräparaten, Parenteralia oder ATMPs). Dies wurde auch in einem Live-Webinar1 deutlich, präsentiert von Dr. Bernd Renger Mitte Dezember 2017. Ihm gebührt auch der Dank für den Großteil der Informationen in diesem Artikel, die einen Überblick geben sollen.
Prüfpräparate
Bereits im Mai 2014 wurde eine Neuordnung der Vorgaben zu klinischen Prüfungen in der EU beschlossen. Grund hierfür waren die bislang unterschiedlichen Umsetzungen der Richtlinie 2001/20/EG in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 "… über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG vom 16. April 2014" hat daher das Ziel, einheitliche Vorschriften für die Durchführung klinischer Prüfungen innerhalb der EU zu etablieren und einen öffentlichen Zugang zu Informationen über die Genehmigung, Durchführung und die Ergebnisse jeder in der EU durchgeführten klinischen Prüfung zu gewährleisten.Um ein Abweichen von den Vorgaben zu vermeiden, erfolgt die Neugliederung nicht in Form einer Richtlinie (Directive) mit Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten, sondern als EU-Verordnung (die sog. ‚Clinical Trial Regulation' bzw. GCP-Verordnung), die keiner Transformation in nationales Recht bedarf, sondern unmittelbar gilt. Diese Clinical Trial Regulation wird in Kraft gesetzt, sobald das zentrale Einreichungsportal (für klinische Studien) der EU implementiert worden ist. Danach gilt eine Übergangszeit von drei Jahren. Hier gibt es allerdings derzeit Verzögerungen (voraussichtlich bis 2019).
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Auch wenn die oben genannte Verordnung dem GCP-Bereich zuzuordnen ist, bedingt sie auch Änderungen im GMP-Umfeld. Basierend auf Artikel 63 der Verordnung müssen auch die GMP-Anforderungen an Klinische Prüfmuster neu geregelt werden. Dazu wird die Richtlinie 2003/94 "… zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate" zurückgezogen und durch zwei separate Richtlinien ersetzt; eine spezifisch für kommerzielle Produkte und eine für Prüfpräparate. Gleichzeitig werden spezifische GMP- Leitlinien für klinische Prüfmuster erlassen, als Ersatz für den Anhang 13 zu den GMP-Leitlinien.
Was bedeutet dies für Marktware, also bereits zugelassenen Produkte?
Es wurde beschlossen, die Richtlinie 2003/94 nicht zu revidieren, sondern durch eine vollkommen neue zu ersetzen. Diese wurde im September 2017 publiziert ("Richtlinie (EU) 2017/1572 der Kommission vom 15. September 2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel"). Als Richtlinie (Directive) muss diese aber - anders als eine Verordnung (Regulation) - in nationales Recht umgesetzt werden. Die Richtlinie trat bereits am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft (d.h. am 6. Oktober 2017). Sie gilt aber erst ab dem Anwendbarkeitsdatum der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 (also abhängig von der Funktionsfähigkeit des europäischen Portals und der zugehörigen Datenbank).
Gleichfalls wurde im September 2017 die neue Rechtsgrundlage für GMP bei klinischen Prüfmustern publiziert; die "Delegierte Verordnung (EU) 2017/1569 der Kommission vom 23. Mai 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung von Grundsätzen und Leitlinien für die Gute Herstellungspraxis bei Prüfpräparaten, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind, und der Einzelheiten von Inspektionen". Da Prüfmuster und kommerzielle Produkte oft in gleichen Betrieben hergestellt und geprüft werden, wurde angestrebt, die Grundsätze und Leitlinien für die Gute Herstellungspraxis bei Prüfpräparaten möglichst stark an die für Humanarzneimittel anzugleichen.
Artikel 12 der Delegierten Verordnung 2017/1569 regelt auch die Zuständigkeiten der Sachkundigen Person (QP) im Zusammenhang mit der EU-GCP-Verordnung 536/2014 (EU-GCP-VO):
- Bei in dem betreff enden Mitgliedsstaat hergestellten Prüfpräparaten überprüft die QP, ob jede Produktionscharge entsprechend den in der Verordnung 2017/1569 festgelegten GMP-Anforderungen für Prüfpräparate und den gemäß Artikel 25 der EUGCP- VO übermittelten Informationen hergestellt und kontrolliert wurde;
- Bei in einem Drittland hergestellten Prüfpräparaten überprüft die QP, ob jede Produktionscharge unter Verwendung von Qualitätsstandards, die den in der vorliegenden GMP-Verordnung festgelegten Standards mindestens gleichwertig sind, und den gemäß Artikel 25 der EU-GCP-VO übermittelten Informationen hergestellt und kontrolliert wurde, wobei sie die Leitlinien gemäß Artikel 63 der EU-GCP-VO hinsichtlich Herstellung und Einfuhr berücksichtigt;
- Die QP bescheinigt in einem Register oder einem gleichwertigen, für diese Zwecke vorgelegten Dokument, dass jede Produktionscharge den o.g. Anforderungen entspricht. In das Register oder das gleichwertige Dokument müssen die einzelnen Vorgänge fortlaufend eingetragen werden und der zuständigen Behörde mindestens fünf Jahre nach dem Abschluss oder formellen Abbruch der letzten klinischen Prüfung, bei der die betreff ende Charge zur Anwendung kam, zur Verfügung stehen.
Die Delegierte Verordnung (EU) enthält auch ein recht umfangreiches Kapitel zum Thema Inspektionen. Die Herstellung von Prüfmustern in Drittländern ist zukünftig immer (von der Behörde) zu inspizieren, um sicherzustellen, dass die Herstellung unter GMP-Standards erfolgt, die denen der EU gleichwertig sind.
Auch hier gilt das Anwendbarkeitsdatum der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.
Was wird aus Anhang 13 zu den EU-GMP Leitlinien?
Im Zuge der Änderungen wird der bisherige Anhang 13 zu den EU-GMP Leitlinien "Herstellung klinischer Prüfpräparate" zurückgezogen und aus Eudralex, Band 4, entfernt. Er wird ersetzt durch Detaillierte Leitlinien "on Good Manufacturing Practice for Investigational Medicinal Products for human use, pursuant to the second subparagraph of Article 63(1) of Regulation (EU) No 536/2014". Das Konzeptpapier wurde bereits im August 2015 veröffentlicht. Die in der Konsultationsphase erhaltenen Kommentare wurden inzwischen auf der EMA-Website publiziert. Hauptsächlich kritisiert wird hier u.a. die Inkonsistenz der Nomenklatur und Terminologie mit den EU-GMP Leitlinien Teil I und II.Die neuen Leitlinien für Prüfpräparate enthalten u.a. neue bzw. überarbeitete Regeln in folgenden Bereichen:
- Anwendung des CAPA-Prinzips auch bei klinischen Prüfpräparaten
- Stärkere Beachtung von Änderungskontrolle (Change Control) zur besseren Nachvollziehbarkeit von Änderungen bei Spezifikationen und in der Herstellung
- Systeme zur Verhinderung von Kreuzkontamination
- Vorgaben zu Umfang und Inhalt des Product Specification File (PSF)
- Bessere Dokumentation von Entwicklungsschritten
- Vorgaben zu Verblindung, Verpackung und Etikettierung
- Rolle der Sachkundigen Person
Neue GMP-Regeln für ATMPs
Vergleichbar mit der neuen Struktur bei den Leitlinien zu den Prüfpräparaten sollen auch Arzneimittel für neuartige Therapien, sog. ATMPs (wie z.B. Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika, biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte) zukünftig in eigenständigen Leitlinien geregelt werden. Hierzu hat die Europäische Kommission am 22. November 2017 die "New Guidelines on Good Manufacturing Practice specific to Advanced Therapy Medicinal Products" verabschiedet. Diese gelten sowohl für Arzneimittel für neuartige Therapien mit Marktzulassung als auch für ATMPs in klinischen Prüfungen (sei es als Prüfpräparat oder als Referenzmuster). Da der Status als ein in sich geschlossenes Dokument keine Referenz zu Regelungen in den anderen GMP-Leitlinien oder ihren Anhängen zulässt, hat das Dokument über 80 Seiten. Die Hersteller von ATMPs sollen die Anforderungen dieser Leitlinie bis zum 22.Mai 2018 umgesetzt haben.Neue Struktur der EU-Vorgaben
Die oben benannten Änderungen führen letztendlich zu einer neuen Struktur der Vorgaben der EU. Dies ist nicht einfach in Textform zu beschreiben, wird aber anhand der folgenden beiden Schaubilder deutlich:
Bisherige Struktur der EU-GMP Vorgaben
Zukünftige Struktur der EU-GMP Vorgaben
Revision Anhang 1 zum EU-GMP Leitlinien (Sterile Arzneimittel)
Am 20. Dezember wurde der lange erwartete Entwurf des Anhang 1 veröffentlicht (Annex 1 Manufacture of Sterile Medicinal Products; Targeted stakeholders consultation). Das Besondere hierbei ist, dass der revidierte Anhang 1 kein eigenständiges EU-Dokument sein wird, sondern direkt auch für die PIC/S-Leitlinien gelten soll. Durch die geplante Revision wird also die aktuelle Version des Anhang 1 und das PIC/S-Dokument PE 009 -11 "Manufacture of sterile Medicinal Products" abgelöst. Dies verkompliziert die Erstellungsphase des finalen Dokuments. Obwohl erst noch im Entwurf (die Kommentierungsfrist läuft bis 20. März 2018), wird sich die pharmazeutische Industrie wohl auf die nachfolgend beschriebenen Änderungen einstellen müssen. Allgemein wird das Dokument deutlich umfangreicher sein und einige neue Regelungen und Ergänzungen enthalten. Auch wird die Anwendbarkeit ausgeweitet auf andere Produkte, bei denen eine strikte Überwachung des Bioburden erwünscht oder gefordert ist ("… some of the principles and guidance … may be used to support the manufacture of other products that are not intended to be sterile (such as certain liquids, creams, ointments and low bioburden biological intermediates) but where the control of microbial, particulate and pyrogen contamination, to reduce it as far as possible, is considered important").
Der revidierte Anhang enthält einen neuen, längeren Abschnitt zu "Barrier Technologies" (RABS und Isolatoren). Bisher war nur die Isolator-Technologie erwähnt und er unterscheidet zwischen Routine-Partikelmessungen und den Grenzwerten für die initiale Reinraum- Klassifizierung. Eine Rolle spielt hierbei die ebenfalls überarbeitete und erweiterte ISO 14644 (Part 1) Norm. Bei den Reinraumklassen selbst wird es wohl keine Hinweise auf selbstdefinierte Raumklassen ("E", "F") geben, die meist schon Praxis sind.
Der Abschnitt zu "viable and non viable Environment and Process Monitoring" wurde neu strukturiert und deutlich erweitert. Jeder einzelne Messpunkt in Klasse A muss nun einzeln betrachtet werden (keine Betrachtung des Durchschnittes mehrerer Messpunkte mehr). Dies ist letztendlich Teil der geforderten "Contamination Control Strategy" und wird einige Herausforderungen mit sich bringen, auch bzgl. der Handhabung von Abweichungen und Korrekturmaßnahmen. Für das Trending von Monitoring Daten wird eine genaue Kenntnis der Hauskeime und ihrer Veränderung unerlässlich sein.
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Im Bereich der Herstellung erfolgte eine Erweiterung fast aller bisherigen Punkte, z.B. auch die Forderung nach validierten Stand- und Prozesszeiten. "Container Closure Integrity" Tests sollen als chargenweise Prüfung mit einem geeigneten Verfahren an einer begründeten Anzahl von Einheiten durchgeführt werden.
Die neuen Anforderungen an die 100% visuelle Kontrolle spiegeln letztendlich den Stand der Technik wider. Auch hier wird ein Trending erwartet. Die Abschnitte zur Sterilisation wurden textmäßig ausgeweitet, allerdings ohne erkennbare neue Anforderungen. Neue Abschnitte und Erweiterungen gibt es zu den Themen:
- Gefriertrocknung
- Geschlossene Systeme
- Single Use Systeme (SUS, Disposables)
- Blow, Fill & Seal Technologie
Die Forderung nach einem "Filter Integrity Testing" vor und nach Filtration bleibt bestehen (Pre-use, post sterilisation integrity test - PUPSIT); wohl hauptsächlich auf Forderung der PIC/S.
Neu strukturiert und deutlich erweitert wird der Teil zu "Aseptic Process Simulation" (APS oder auch Media Fill). Hier werden v.a. die Bewertung bei Abweichungen und die nachfolgenden Korrekturmaßnahmen neu aufgesetzt. Das Ziel ist Nullwachstum ("zero growth"). Kommt es doch zu Wachstum, werden entsprechende CAPA-Maßnahmen erwartet und ein neuer Media Fill (drei Wiederholungen).
Der Entwurf enthält übrigens keine direkten Hinweise auf die Sachkundige Person ("Qualified Person", QP), da er auch PIC/S-Dokument werden soll. Die QP nennt sich hier "Person responsible for the quality release of sterile medicines".
Andere Anhänge zu den EU-GMP Leitlinien
Noch nicht veröffentlicht wurde der überarbeitete Anhang 17 ("Real Time Release Testing", bislang "Parametrische Freigabe"). Bereits am 15. September 2015 startete die öffentliche Konsultation zu einem revidierten Entwurf des Anhang 17. Annahmeschluss war der 11. Dezember 2015. Im September 2016 wurde das Feedback verschiedener Interessengruppen veröffentlicht.
Auch noch nicht veröffentlicht wurde der ganz neue Anhang 21 ("Importers of Medicinal Products"). Das "Concept Paper" wurde bereits am 13. Mai 2015 veröffentlicht (EMA/238299/2015), und die Konsultationsphase endete im August 2015. Derzeitiger Knackpunkt ist wohl die Diskussion um das Vorgehen bei einem rein finanziellen Besitzerwechsel ("financial import and export"), bei dem die Ware in der EU verbleibt, aber ein Eigentümerwechsel in ein Drittland (z.B. Schweiz) erfolgt.
Erfahren Sie in der nächsten Ausgabe, wie es mit dem MRA-Abkommen weitergeht, welche Herausforderungen es dabei gibt und die Neuigkeiten rund um ICH Q12 und Q3D.
Autor:
Wolfgang Schmitt
... wechselte 2006 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Qualitätssicherung, GMP und GDP.
Fußnoten:
1 Eine Aufzeichnung dieses sowie weiterer Webinars finden Sie unter www.gmp-navigator.com/nav_webvid_liste.html.