Inspektionen: Praktische Aspekte der Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung (Teil II)
Im ersten Teil dieses Beitrags ging es um Inspektionsziele, Behörden, Inspektionsarten und die möglichen Folgen von Inspektionen. Lesen Sie folgend, was vor, während und nach einer Inspektion zu beachten ist.
Eine Inspektion ist angekündigt
Um nach der schriftlichen Ankündigung einer FDA-Inspektion eine allgemeine Hektik zu vermeiden, empfiehlt sich eine sorgfältige Vorbereitung der Inspektion. Ziel aller Tätigkeiten und Maßnahmen ist es, einen reibungslosen und erfolgreichen Inspektionsverlauf zu gewährleisten.Information
Zunächst müssen alle Kollegen, die von der Inspektion betroffen sein können, informiert werden - auch die, die nicht unmittelbar in Produktion, Qualitätskontrolle oder im Qualitätsmanagement arbeiten, wie z.B. Lager, Technik, IT-Funktionen, Zulassungsabteilung. Ggf. müssen auch externe Firmen wie Lieferanten, Lohnhersteller oder Lohnlabore informiert werden. Andererseits ist es auch empfehlenswert, sich Informationen über die Inspektoren zu beschaff en (Alter, Vorlieben für bestimmte Themen, Verhalten), z.B. bei Kollegen aus anderen Firmen.Vorbereitungs-Team
In den meisten Firmen wird ein Team aus Vertretern aller potentiell beteiligten Fachfunktionen zusammengestellt, dessen Aufgabe es ist, die Inspektion gründlich vorzubereiten. Falls erforderlich sind regelmäßige Treff en zu vereinbaren. Die Leitung dieses Teams sollte ein Mitarbeiter der Qualitätssicherung übernehmen. Wünschenswert ist eine offene Diskussion der noch durchzuführenden Arbeiten. Die nicht-kritikfähige Haltung mancher Fachfunktionen ist hier nicht hilfreich.Interne Audits
Häufig ist es zweckmäßig, in den betroffenen Funktionen interne Audits / Selbstinspektionen durchzuführen. Der Schwerpunkt sollte dabei auf den Produkten liegen, die den Grund für die Inspektion darstellen. Genauso sinnvoll ist aber auch ein System-Audit im Sinne einer "systems inspection". Auch sogenannte "mock-Inspektionen" können sehr nützlich sein. Von z.B. einem externen Unternehmen wird dabei eine FDA-Inspektion simuliert. Insbesondere für Firmen ohne oder mit wenig FDA-Erfahrung kann dies sehr hilfreich sein, z.B. auch, um Stresssituationen zu trainieren. Diese Inspektionen sollten auch unbedingt in englischer Sprache durchgeführt werden. Nicht jeder Mitarbeiter kann seine Arbeit, Aufgaben und Verfahren auch fließend in englischer Sprache verständlich erläutern. Dies ist eine besondere Herausforderung. Grundsätzlich kann eine solche mock-Inspektion auch von der firmeninternen Auditfunktion durchgeführt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Auditoren selbst ausreichende Erfahrung besitzen und während der mock-Inspektion wie ein externer Inspektor respektiert werden.
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Präsentationsfolien
Unabdingbar ist die Anfertigung von Präsentationsfolien zu diversen Themen. Hierzu gehören:- Vorstellung der Firma, Firmenhistorie, hergestellte Produkte, Organigramme
- Informationen zum Produkt, Herstellungsgang (flow chart)
- Allgemeine GMP-Themen (jeweils maximal 3-4 Folien): z.B. QM-System, SOP-System, Schulungssystem, Qualifizierung, Validierung (Herstellung, Analysenverfahren, Reinigung, Computer), Wartung, Kalibrierung, Umgang mit Reklamationen, change management, Vorgehensweise bei OOS-Ergebnissen. Die auf den Folien dargestellten Vorgehensweisen müssen natürlich mit den Firmen-SOPs und dem tatsächlichen Vorgehen übereinstimmen. Bei den Folien ist unbedingt auf ein einheitliches Layout zu achten, um das Unternehmen als eine Einheit darzustellen und nicht als ein Konglomerat unabhängiger Funktionen.
Besprechungsräume
Es ist ratsam, mehrere Besprechungsräume für die Inspektion zur Verfügung zu stellen. So können sich die Inspektoren aufteilen und unterschiedliche Themen parallel bearbeiten. Jeder Raum sollte über die erforderliche technische Ausrüstung verfügen wie z.B. Overhead-Projektor, Beamer, Telefon, Internet- Anschluss. Die Funktionsfähigkeit ist vorab zu überprüfen und sicherzustellen (z.B. Ersatzlampen).Dokumentenraum
Zusätzlich sollte ein Dokumentenraum vorhanden sein. Dieser Raum dient zur Bereithaltung von Dokumenten, die mit großer Sicherheit vom Inspektor angefordert werden, wie z.B. Herstellprotokolle, Rohdaten zur Qualitätsprüfung, Liste der OOS-Ergebnisse, Schulungsdokumentation, Ergebnisse zum Umgebungsmonitoring. Natürlich müssen einige Dokumente auch erst beschaff t werden - z.B. aus einem Archiv. Der Inspektor sollte aber nicht auf jedes Dokument eine halbe Stunde warten müssen.Festlegung der Sprecher
Für die einzelnen Fachfunktionen und ggf. auch für Spezialthemen sind Sprecher zu benennen, die die Fragen der Inspektoren beantworten. Jedem Sprecher sollte ein Assistent zur Seite stehen, der u.a. benötigte Dokumente beschaff t, andere Mitarbeiter informiert und von Mitarbeitern Informationen einholt.Abendessen, "social events"
Es hängt sehr stark vom jeweiligen Inspektor ab, ob er gemeinsam mit Firmenvertretern zum Abendessen geht, oder sich von diesen sogar unter finanziellen Gesichtspunkten einladen lässt. Dies sollte vorsichtig z.B. beim Mittagessen in der Kantine geklärt werden. Sofern der Inspektionszeitraum ein Wochenende einschließt, sollte auch über ein entsprechendes "Unterhaltungsprogramm" diskutiert werden.Inspektionsbegleiter
Der Inspektionsbegleiter ist in der Regel ein Mitarbeiter aus dem Bereich Qualitätssicherung oder Qualitätsmanagement. Er übernimmt während der Inspektion eine zentrale Rolle, in dem er die Inspektion koordiniert und dokumentiert, Kollegen informiert, Dokumente anfordert usw. Er ist außerdem die "soziale" Kontaktperson für den Inspektor und steht für alle Fragen (z.B. öffentliche Verkehrsmittel, Restaurants, Sehenswürdigkeiten) zur Verfügung. Er sollte aber auch das Vorbereitungs- Team leiten und sich um die gesamte Organisation der Inspektion kümmern. Hierzu zählen auch Hotelreservierung und Transport (z.B. Abholung am Flughafen).Die Inspektion beginnt
Die Inspektion beginnt mit der Eingangsbesprechung. Der Teilnehmerkreis bei der Eingangsbesprechung aber auch bei der Abschlussbesprechung sollte möglichst klein gehalten werden. Neben den Inspektoren sowie dem Inspektionsbegleiter sind ausgewählte Vertreter der Fachfunktionen anwesend.Der Geschäftsführer oder ein vergleichbarer Mitarbeiter sollte unbedingt teilnehmen, um die Bedeutung und Wertschätzung der Inspektion zu verdeutlichen. Dieser ist auch der offizielle Repräsentant der Firma sowie der Adressat für alle Korrespondenz.
Eine kurze Vorstellung der Teilnehmer ist sinnvoll. Als formeller Einstieg bietet sich eine Firmenpräsentation. Anschließend wird der Anlass oder das Thema der Inspektion noch einmal geklärt und der Inspektionsverlauf einvernehmlich festgelegt. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, den Inspektoren ein Programm zumindest für den ersten Tag vorzuschlagen.
Die gesamte Inspektion wird vom Inspektionsbegleiter wie ein internes Audit protokolliert. Diese Dokumentation sollte mindestens den Inspektionsablauf, die Teilnehmer, angesprochene Themen, eingesehene bzw. ausgehändigte Dokumente und festgestellte Mängel beinhalten.
Am Ende des Tages erfolgt meist eine kurze Zusammenfassung durch die Inspektoren. Hierbei werden noch offene Fragen angesprochen oder Dokumente für den nächsten Tag erbeten. Insbesondere werden aber die bereits festgestellten Mängel genannt.
Nach Verabschiedung der Inspektoren sollte daher eine firmeninterne Besprechung mit allen beteiligten Funktionen stattfinden. Hierbei werden der nächste Tag vorbereitet und die Kollegen über mögliche Inspektionspunkte des Folgetages informiert.
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Wenn sich der Inspektor im Lager schon bestimmte Chargennummern notiert hat, sollte die Herstell- und Prüfdokumentation hierzu herausgesucht und noch einmal kritisch durchgesehen werden. So lassen sich Überraschungen (wie z.B. PostIt-Zettel) am nächsten Tag vermeiden.
Es empfiehlt sich dringend, die angesprochenen Mängel bis zum nächsten Morgen zu beheben. Dies kann u.U. bedeuten, über Nacht einen SOP-Entwurf zu erstellen oder analytische Laboruntersuchungen durchzuführen. Das Ergebnis wird den Inspektoren am Folgetag präsentiert. Diese Vorgehensweise verdeutlicht, dass die Firma identifizierte Mängel ernst nimmt und um schnelle Korrektur bemüht ist und kann daher den weiteren Inspektionsverlauf positiv beeinflussen.
Die Abschlussbesprechung findet in der Regel im gleichen Kreis wie die Eingangsbesprechung statt. Anschließend erfolgt die Weitergabe der Ergebnisse an die Firmenleitung und andere relevante Funktionen.
Verhaltensregeln
Während der Inspektion sollten die unten aufgeführten Verhaltensregeln beachtet werden.
- Kleiner Teilnehmerkreis
Der Teilnehmerkreis sollte so klein wie möglich gehalten werden. Dies gilt sowohl im Besprechungsraum als auch insbesondere für den Betriebsrundgang. Vor der Inspektion muss Mitarbeitern deutlich gemacht werden, dass jeder seiner normalen Arbeit nachgeht. Eine "Rudelbildung" um die Inspektoren ist zu vermeiden. Umgekehrt sollen Mitarbeiter aber auch nicht fluchtartig das Labor verlassen, wenn die Inspektoren den Raum betreten. Ein perfekt aufgeräumtes Labor ohne Mitarbeiter wirkt eher verdächtig. - Der Sprecher antwortet
Antworten werden nur durch den festgelegten Sprecher gegeben. Dies muss vor der Inspektion allen Mitarbeitern deutlich gemacht werden. Es darf nicht passieren, dass ein Mitarbeiter in gut gemeinter Absicht unaufgefordert sein eigenes hervorragendes Fachwissen unter Beweis stellt und die Frage des Inspektors beantwortet. Vielmehr sind geregelte Abläufe unbedingt einzuhalten. - Falls notwendig: nachfragen
Bei Verständnis-Problemen nachzufragen, ist zweifellos besser, als Fragen auf Verdacht hin zu beantworten oder ein Dokument vorzulegen, das nicht zur Frage passt. Dies führt leicht zu weiteren Missverständnissen oder zur falschen Annahme des Inspektors, dass die Firma auf seine Frage keine präzise Antwort geben kann, weil etwas nicht klar geregelt ist. - Keine Vermutungen äußern
Kann der Sprecher eine Frage nicht präzise beantworten, ist es durchaus legitim, einen Spezialisten hinzuzuziehen. Auch der Sprecher muss nicht alles wissen. Er sollte aber wissen, wen er fragen kann. - Schweigen aushalten
Auch Schweigen muss man aushalten können. Es ist schon eine merkwürdige Situation, wenn der Inspektor ein Dokument durchsieht, sechs Mitarbeiter am Tisch sitzen, und zehn Minuten (oder länger) niemand etwas sagt. Aber dies muss toleriert werden. - Nur Fragen beantworten
Es ist Aufgabe des Mitarbeiters, Fragen des Inspektors richtig, präzise und ausführlich zu beantworten. Es ist allerdings nicht seine Aufgabe, von sich aus dem Inspektor alles zu erzählen, was er weiß. Die Gefahr, mit jeder zusätzlichen Information weitere Fragen zu provozieren, die dann letztendlich doch irgendwelche Defizite aufdecken, ist viel zu groß. - Nur verlangte Dokumente bereitstellen
Aus dem gleichen Grund sollten auch nur die gewünschten Dokumente zur Verfügung gestellt werden - wie z.B. ein bestimmter Batch Record, selbst wenn weitere Batch Records die hervorragende Vorgehensweise und Dokumentation des Herstellungsprozesses untermauern würden. Denn es besteht immer die Gefahr, dass doch irgendwelche Mängel aufgedeckt werden. - Kopien nur auf Anforderung
Kopien sollten dem Inspektor nur dann ausgehändigt werden, wenn er ausdrücklich darum gebeten hat. Diese werden dann als "confidential" gekennzeichnet. Für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der Inspektion ist es sinnvoll, eine zweite Kopie des Dokuments dem Inspektionsbegleiter zur Verfügung zu stellen. - Keine Fotos erlauben
Besuchern sollten grundsätzlich keine Film- oder Fotoaufzeichnungen gestattet werden. Bei Inspektionen sind solche Aufnahmen in der Regel nicht erforderlich. Sollte ein Inspektor dennoch im Einzelfall auf einem Foto bestehen, sollte es von einem Firmenmitarbeiter gemacht werden mit einem zweiten Exemplar für die eigene Dokumentation. - Keine endlosen Diskussionen
Von endlosen (!) Diskussionen mit einem Inspektor ist dringend abzuraten. Natürlich ist es statthaft, die eigene Sichtweise ausführlich darzulegen und zu begründen, warum man eine bestimmte Vorgehensweise für gerechtfertigt hält. Es ist jedoch nicht sinnvoll, auf der eigenen Position zu beharren, wenn absehbar ist, dass der Inspektor nicht überzeugt werden kann. Dieser wird dann ebenfalls auf seiner Ansicht bestehen. Dies kann sich auf den weiteren Verlauf der Inspektion nur ungünstig auswirken. Man kann eine Diskussion gegen einen Inspektor nicht gewinnen!
Man mag hier die Frage stellen, wann denn wirklich ein GMP-Verstoß vorliegt und wer dies entscheidet. Hier sei eine Analogie zum Fußball und zum Streitpunkt "Abseits" erlaubt. "Abseits" ist, wenn der Schiedsrichter so entscheidet. Ein GMP-Verstoß liegt vor, wenn der Inspektor so entscheidet.
Man sollte besser im Antwortschreiben noch einmal die eigenen Argumente vortragen statt den Inspektor gleich am ersten Tag der Inspektion zu verärgern, wenn noch vier weitere Tage folgen.
Nachbereitung der Inspektion
Die Abschlussbesprechung ist beendet und die Inspektoren haben bereits das Firmengelände verlassen. Auch jetzt gibt es für die Mitarbeiter noch genügend zu tun:
- Information aller Beteiligten
Alle an der Inspektion beteiligten Mitarbeiter sollten über das Ende der Inspektion und die Ergebnisse der Abschlussbesprechung informiert werden, insbesondere über die angesprochenen Mängel. Mit der Behebung der Defizite sollte unverzüglich begonnen werden. - Das Antwortschreiben
Die Vorbereitung des offiziellen Antwortschreibens und dessen Abstimmung mit allen Verantwortlichen ist der nächste Schritt innerhalb der Nachbereitung. Im Antwortschreiben wird ausführlich beschrieben, wie die festgestellten Mängel behoben werden und vor allem wie zukünftig eine Wiederholung ausgeschlossen werden kann. Gerade der Blick in die Zukunft ist immer von entscheidender Bedeutung. - Der interne Bericht
Wie bei einem internen Audit sollte auch bei Behördeninspektionen ein interner Bericht verfasst werden. Hierin sind besonders die Verantwortlichkeiten zu regeln und Termine anzugeben, bis wann die Behebung der Mängel abgeschlossen sein muss. - Korrekturmaßnahmen überwachen
Es ist in der Regel Aufgabe der Q-Funktion zu überwachen und sicherzustellen, dass die Korrekturmaßnahmen termingerecht umgesetzt werden. Es wäre sehr unangenehm, wenn bei der nächsten Inspektion festgestellt würde, dass die zugesagten Maßnahmen tatsächlich gar nicht umgesetzt wurden.
Man sollte stets daran denken: Nach der Inspektion ist vor der Inspektion.
Autor:
Dr. Jörg Fetsch
… ist Sachkundige Person bei der Medios Manufaktur in Berlin.