Ist Whistleblowing eine Option, wenn Probleme auftreten?

    

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"Whistleblowing ist der Vorgang, den Behörden oder der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass die Organisation, für die Sie arbeiten, etwas Unmoralisches oder Illegales macht." Das ist die Definition im Collins English Dictionary.

In den Vereinigten Staaten von Amerika ermutigt der False Claims Act1 Whistleblowing, damit Nachweise für Betrug oder das Nichteinhalten von Vorschriften gemeldet werden. Whistleblower werden sogar für ihre Anstrengungen belohnt, indem sie beispielsweise Geld erhalten oder vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden. In der EU gibt es kein solches allgemeines Recht. Wenn ein Großhändler oder Hersteller jedoch festgestellt hat, dass ein Arzneimittel gefälscht ist oder wenn der Verdacht aufkommt, dass es gefälscht sein könnte, ist dieser dennoch verpflichtet2, unverzüglich die zuständige Behörde oder den Zulassungsinhaber zu informieren. Unterlässt das Unternehmen dies, erwarten die Behörden von der Sachkundigen Person die entsprechende Meldung. Natürlich ist es die primäre gesetzliche Verpflichtung der Sachkundigen Person, Arzneimittelchargen zu zertifizieren. "Es müssen jedoch auch die weiter gefassten technischen, ethischen und beruflichen Verpflichtungen im Hinblick auf die Patientensicherheit, die Qualität und Wirksamkeit berücksichtigt werden." Diese Aussage stand im Mittelpunkt der Präsentation von Martine Powell3 (MHRA) beim 13. Qualified Person Forum im November 2018 in Prag.

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Martine Powell wies darauf hin, dass Sachkundige Personen eine gute Arbeitsbeziehung mit ihrer zuständigen Behörde führen sollten - und das nicht nur bei Inspektionen. Es könnte sein, dass die Sachkundige Person in bestimmten Situationen, die nicht mit einer Inspektion im Zusammenhang stehen, die entsprechende Behörde oder das Inspektorat kontaktieren möchte oder muss, um Klarstellungen oder Rat einzuholen. Manchmal muss die Sachkundige Person sicherstellen, dass die Behörden über Schwierigkeiten bei der Herstellung und/oder bei der Prüfung informiert werden, die möglicherweise Zweifel im Hinblick auf die Zertifizierung von Chargen aufkommen lassen oder gar einen Produktrückruf erforderlich machen.

Um dies zu unterstützten, hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Policy/00724 erlassen (wirksam seit März 2017). Der Schwerpunkt des Dokuments liegt darin, Anleitung in Bezug auf den Umgang mit Informationen zu geben, die aus externen Quellen stammen und Aktivitäten der EMA in Bezug auf die Zulassung, Überwachung und Aufrechterhaltung der Zulassung von Human- und Tierarzneimitteln betreff en. Wichtige Abschnitte und Aspekte des Dokuments:

  • Vertraulichkeit: Die EMA muss personenbezogene Daten vor einer unberechtigten Weitergabe oder dem unberechtigten Zugang schützen.
  • Die EMA erwartet, dass die Offenlegung von Informationen durch externe Quellen im öffentlichen Interesse nach Treu und Glauben und aus begründetem Anlass erfolgt.
  • Die EMA ist bemüht, dass alle Verdachtsfälle, die Probleme in Bezug auf Arzneimittel für die öffentliche Gesundheit und die Tiergesundheit betreff en, von den zuständigen Behörden untersucht werden.
  • Die EMA wird versuchen, eng mit institutionellen Partnern, wie anderen nationalen und internationalen Partnern, zusammenzuarbeiten.

In ihrem Vortrag stellte Martine Powell das von der MHRA angewendete Verfahren für den Umgang mit Meldungen von Problemen vor. Dabei hob sie deutlich hervor, dass die Arzneimittelbehörde des Vereinigten Königreichs "eine offene Meldekultur als wesentlichen Pfeiler eines wirksamen Qualitätssystems fördert". Zur Unterstützung dieser offenen Meldekultur hat die MHRA ein zweckbestimmtes und vertrauliches Meldeverfahren5 festgelegt, das von Angestellten, ehemaligen Angestellten und selbst von den Angestellten von Fremdfirmen eines betroffenen Unternehmens oder einer betroffenen Organisation genutzt werden kann. Nach Eingang einer solchen Meldung überprüft die MHRA die Informationen und bewertet das Risiko und die Auswirkungen "sowohl in Bezug auf die Qualität des Produkts als auch in Bezug auf die Patientensicherheit". Dies kann zu einer Reihe von Maßnahmen führen, zu denen beispielsweise auch eine "For Cause" Inspektion zählen kann.

Andere EU-Aufsichtsbehörden in der EU sollten über einen ähnlichen Ansatz verfügen, und sie sollten die Aufsichtsbehörde im jeweiligen Mitgliedstaat kontaktieren und weitere Informationen einholen.

Wie sollte mit kritischen Feststellungen im Rahmen eines Audits umgegangen werden?

Bei ihrem Vortrag fragte Martine Powell die mehr als 250 anwesenden Sachkundigen Personen, wie sie reagieren würden, wenn im Rahmen eines Audits eines Lohnherstellers kritische Feststellungen gemacht würden. Natürlich wird erwartet, dass eine Risikobewertung gemacht wird, die Ergebnisse zumindest dem Management gemeldet werden und die mögliche Konsequenz besteht, den Auftragsnehmer von der Liste der genehmigten Lieferanten zu streichen.

Die Frage lautete aber: "Besteht eine Verpflichtung, die Aufsichtsbehörde über Ihre Bedenken zu informieren?"

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Ungefähr ein Drittel der Teilnehmer war überzeugt, dass dies der Fall ist, während die anderen nicht wirklich sicher waren, was zu tun ist. Die MHRA erwartet als Antwort jedoch "Ja!" Dies gilt insbesondere im Fall potenzieller Auswirkungen auf den Patienten. Aber auch für negative Auswirkungen auf andere Produkte, die in dieser Betriebsstätte hergestellt werden und/oder wenn der Vorfall zu einem Rückruf oder zu einer Einschränkung hinsichtlich der Lieferung des Produkts führen kann, erwarten Behörden eine Meldung. Es muss sich hierbei nicht notwendigerweise um eine "Whistleblower"-Situation handeln. Für einen solchen Fall gibt es bei der MHRA ein Dokument namens "Interim Compliance Report", das es den Betriebsstätten ermöglicht, die Behörde bei bedeutenden Änderungen oder Problemen zu informieren.

In ihrer Zusammenfassung betonte Martine Powell, dass "das Melden von Problemen nicht als ethisches Dilemma verstanden werden sollte, sondern als positive und verantwortungsvolle Handlung, um robuste Sicherungssysteme und eine Kultur zu gewährleisten und unterstützten, die das Potenzial für die Nichteinhaltung von GMP-Anforderungen reduzieren. Denn Vorsorge ist besser als Heilen!"

 

Autor:
Wolfgang Schmitt
... wechselte 2006 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Qualitätssicherung, GMP und GDP.

 

Fußnoten:
1 False Claims Act (FCA), 31 U.S.C. §§ 3729 - 3733.
2 Siehe Richtlinie 2011/62/EU zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG.
3 Martine Powell ist GMDP-Inspektorin bei der Abteilung Inspectorate, Enforcement and Standards (IE&S) bei der Arzneimittelbehörde (MHRA, Medicines & Healthcare products Regulatory Agency) des Vereinigten Königreichs.
4 EMA's handling of information from external sources disclosing alleged improprieties concerning EMA activities related to the authorisation, supervision and maintenance of human and veterinary medicinal products (EMA/283205/2013).
5 https://www.gov.uk/guidance/contact-mhra#whistleblower-referrals; Kontakt: whistleblower@mhra.gov.uk

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