Neues aus dem GMP-Umfeld - Deutschland und EU Teil I
Wer glaubt, dass die größten Änderungen und Umbrüche im GMP-Umfeld durch sind, mag sich täuschen. Nicht nur bedingt durch die derzeitigen politischen Unwegsamkeiten, wie z.B. dem Brexit, tut sich einiges. Auch - und hier muss man sagen "leider" - führen die Arzneimittelskandale der letzten Zeit zu einigen geplanten Änderungen. Dies wurde auch deutlich in einem Live- Webinar, präsentiert von Dr. Bernd Renger am 5. Dezember 20181. Ihm gebührt auch der Dank für den Großteil der Informationen in diesem Artikel.
Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung
Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 14. November 2018 einen Entwurf eines Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vorgelegt. Änderungen gibt es u.a. in Bezug auf Rückrufe, Inspektionen und Sicherheitsmerkmale, mit erheblichen Auswirkungen auf Verantwortungsabgrenzungen zwischen den verschiedenen Behörden.Grund der Gesetzesinitiative
Die geplanten Änderungen sollen es u.a. ermöglichen, bei Problemen besser und entschlossener zu reagieren oder diese gar zu verhindern. Als mögliche Treiber sind hier folgende Fälle zu nennen:- Lunapharm: Ein Groß- und Parallelhändler soll von einer griechischen Apotheke teure Krebsarzneimittel bezogen haben, die wahrscheinlich in griechischen Krankenhäusern gestohlen wurden. Die Einhaltung von GDP-Grundsätzen beim Transport sowie der Lagerung war hier nicht sichergestellt.
- Valsartan: Mehrere Arzneimittel, die den blutdrucksenkenden Wirkstoff Valsartan enthalten, wurden seit Anfang Juli von den Aufsichtsbehörden zurückgerufen. Grund war eine produktionsbedingte Verunreinigung durch wahrscheinlich krebserregende Stoff e (N-Nitrosodimethylamin Nitrosodimethylamin und N-Nitrosodiethylamin) bei einem chinesischen Zulieferer. (siehe auch folgenden Beitrag)
- Fall Bottrop: Bis 2016 wurden in Bottrop durch einen Apotheker Zytostatika-Präparate vorsätzlich falsch deklariert bzw. mit zu wenig Wirkstoff hergestellt und abgegeben.
- Fall Brüggen-Bracht: 2016 kam es in der Praxis eines Heilpraktikers in Brüggen-Bracht zu drei Todesfällen bei Krebspatienten. Als mögliche Todesursache wird die Infusion eines Arzneimittels diskutiert, die der Heilpraktiker selbst hergestellt hatte.
Tatsächlich lassen sich einige tiefgreifende Änderungen aus diesen Fällen ableiten:
Bei möglichen Versorgungsmängeln soll durch eine Stärkung der zuständigen Behörden ein zeitnahes und länderübergreifendes Vorgehen sichergestellt werden. Die Krankenkassen wiederum sollen einen Anspruch auf Regress gegenüber dem Hersteller erhalten, wenn es Rückrufe z.B. wegen Produktmängeln gibt. Aber auch die Kassen sollen in Mitverantwortung gezogen werden. Beim Abschluss von Rabattverträgen soll darauf geachtet werden, dass eine unterbrechungsfreie Lieferfähigkeit gesichert ist.
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Zusätzlich erhalten die Bundesoberbehörden eine erweiterte Rückrufkompetenz bei Qualitätsmängeln, negativem Nutzen-Risiko- Verhältnis oder beim Vorliegen des Verdachts einer Arzneimittelfälschung und stärkere Befugnisse bei der Arzneimittelüberwachung. Hierzu zählen z.B. Einsichtnahme in Unterlagen zu eingesetzten Wirkstoff en und anderen Ausgangsstoff en. Die Inspektorate der Länder sollen zukünftig die Bundesoberbehörden über geplante Inspektionen bei Herstellern von Arzneimitteln und Wirkstoff en in Drittstaaten informieren. Die Bundesoberbehörden können dann an diesen Inspektionen teilnehmen. Inwieweit sich dies alles auch aufgrund der angespannten Personalsituation in den Behörden umsetzen lässt, bleibt abzuwarten. Auch wird es interessant sein, wie sich der Bundesrat hierzu äußert.
Sicherheitsmerkmale: Obwohl die Securpharm-Regeln keine Sanktionen oder Bußgelder vorsehen, sollen Verstöße von Herstellern, Großhändlern und Apothekern gegen die neuen Regeln mit Bußgeldern belegt werden. So könnte es Bußgelder z.B. geben bei einer verspäteten Meldung von möglichen Manipulationen.
Auf Apothekenebene wird die Versorgung mit Zytostatika neu geordnet. Die Herstellung von Krebsarzneimitteln soll mit einem festen Arbeitspreis von 110 Euro vergütet werden. Die Apotheker erhalten dann von den Krankenkassen nur noch den tatsächlichen Einkaufspreis. Die Preisverhandlungen mit der pharmazeutischen Industrie übernehmen die Krankenkassen direkt. Regelbeispiele für Fälle, in denen unangemeldete Inspektionen durchzuführen sind, werden klarer definiert.
Und aus dem Fall Brüggen-Bracht resultiert, dass die Herstellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch Angehörige nichtärztlicher Heilberufe (insbesondere Heilpraktiker) erlaubnispflichtig wird.
Neben dem Arzneimittelgesetz AMG werden im Zuge des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) noch die folgenden Gesetze angepasst:
- Arzneimittel-Sachverständigenverordnung
- Arzneimittelfarbstoff verordnung
- Transfusionsgesetz
- Transfusionsgesetz-Meldeverordnung
- Betäubungsmittelgesetz
- Grundstoff überwachungsgesetz
- Pflegeberufegesetz
- Medizinproduktegesetz
- das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)
- Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung
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Hier wird es noch ein paar Änderungen mit geringer GMP-Relevanz geben, wie z.B.:
- Biosimilars sollen schneller in die Versorgung kommen
- Es wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um die Herstellung von Frischzellen zur Anwendung am Menschen zu verbieten
- Die notwendigen Regelungen für die Verwendung des elektronischen Rezeptes werden geschaffen
Kleine Randnotiz: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sein Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) auch auf YouTube vorgestellt2.
Änderungen in AMWHV und AM-HandelsV
Im Juli 2018 gab es Änderungen in der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) und der Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV). Diese wurden im Bundesgesetzblatt Nr. 24 vom 12. Juli 2018 veröffentlicht. In der AMWHV gibt es hauptsächlich redaktionelle Änderungen. So heißt der bislang benannte EG-GMP Leitfaden nun EU-GMP Leitfaden (§§1, 2 und 36). Dies ist eine Anpassung an die in der EU bereits seit langem verwendete Bezeichnung "EU Guidelines for Good Manufacturing Practice for Medicinal Products for Human and Veterinary Use".Die bei Inverkehrbringen und Einfuhr beizufügenden Unterlagen und erforderlichen Angaben können nun auch elektronisch übermittelt werden. Hierzu wurden §17 Absatz 6 entsprechende Sätze angefügt.
Wichtig! Es wurde klargestellt, dass, wenn eine ausschließliche Freigabe nach §25 stattfindet, eine zusätzliche Kennzeichnung, wie in §24 Absatz 3 Satz 1 beschrieben (Name oder die Firma und die Anschrift dieses Betriebs sowie die neue Chargenbezeichnung), nicht erforderlich ist. Hierzu wurde §25 Absatz 4 ergänzt.
In der AM-HandelsV gibt es neben redaktionellen Änderungen folgende Aktualisierungen: In §5 "Lagerung" werden in Absatz 3 zu gefälschten Arzneimitteln zwei Sätze um mögliche Verdachtsfälle ergänzt. Nun muss bereits bei Verdacht auf eine Arzneimittelfälschung dieses getrennt gelagert und die Behörde informiert werden.
In §6 "Auslieferung" wurden Ergänzungen zur Überprüfung der Sicherheitsmerkmale ergänzt. Hier wird nun geregelt, wann ein Großhändler zukünftig das individuelle Erkennungsmerkmal eines Arzneimittels deaktivieren muss. Laut Satz 2 des gleichen Paragraphen ist nun eine elektronische Übermittlung von Unterlagen zulässig.
Die Änderungen der AMWH sind direkt in Kraft getreten. Einige Änderungen der AM-HandelsV treten dagegen erst im Februar 2019 in Kraft.
In der nächsten Ausgabe des GMP Journals: Neues rund um das MRA zwischen der EU und der FDA, das FDA Quality Metrics Program und um die Klassifzierung von GMP-Mängeln.
Autor:
Wolfgang Schmitt
... wechselte 2006 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Qualitätssicherung, GMP und GDP.
Fußnoten:
1 Eine Aufzeichnung dieses sowie weiterer Webinare finden Sie unter www.gmp-navigator.com/nav_webvid_liste.html.
2 Siehe dazu https://www.youtube.com/watch?v=W17xGmd0Ogw