Qualitätsmanagement und Datenintegrität in der Wirkstoff produktion
Die Etablierung eines effektiven Qualitätsmanagementsystems ist eine Grundvoraussetzung für die Herstellung von Wirkstoffen und Arzneimitteln und eine gesetzliche Anforderung, die schon seit vielen Jahren besteht. Für die Wirkstoffproduktion legt ICH Q7 bzw. der Teil II des EU GMP-Leitfadens das Fundament, während ICH Q10 diese Bestimmungen um spezielle QMS-Aspekte und Regelungen bezüglich Verantwortlichkeiten erweitert. Dennoch sind es nach wie vor Mängel im QM-System, auf die GMP-Inspektoren bei ihrem Gang durch die Produktionsstandorte von Pharma- und Wirkstoffbetrieben häufig stoßen.
Erwartungen der MHRA an QM Systeme
Zu Beginn der APIC/CEFIC-Konferenz Ende November letzten Jahres gab Graeme McKilligan von der britischen MHRA einen Überblick über die Erwartungen, die ein Inspektor an ein funktionierendes QM-System hat. Oft werden diese Erwartungen nicht erfüllt; so gibt es häufig Probleme schon bei der Einführung eines solchen Systems. Personelle Unterbesetzung in der Qualitätsabteilung oder unzureichend geschultes Personal sind die Anzeichen dafür, dass der Firmenleitung die zentrale Bedeutung eines QM-Systems nicht bewusst ist. In solchen Betrieben findet der Inspektor fast immer auch Verstöße gegen den GMP-gerechten Umgang mit elektronischen Systemen und Rohdaten. McKilligans Ratschlag zur Verbesserung eines schwachen QM-Systems lautet daher: gründliche und kontinuierliche Schulung des Personals und die Schaffung des Bewusstseins in der höheren Leitungsebene, dass ein starkes QM-System nicht nur eine lästige gesetzliche Anforderung ist, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum geschäftlichen Erfolg des Unternehmens leistet.
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Risikobewertungen spielen eine zentrale Rolle in der Qualitätssicherung. Dies gilt vor allem für die kritische Betrachtung von Lieferketten, die sich in der Regel über globale Distanzen erstrecken und entsprechend komplex zusammengesetzt sind. Tom Buggy von DSM in den Niederlanden charakterisierte typische Lieferketten anhand ihrer immanenten Risiken wie z.B. unklare Verantwortlichkeiten bei der (Zwischen-)Lagerung von Produkten, mangelhafte Dokumentenkontrolle, die die Rückverfolgbarkeit erschwert, Beschädigung durch unsachgemäße Handhabung etc. Eine lückenlose Analyse von Lieferketten mit genauer Einschätzung der jeweiligen Risiken schafft die notwendige Transparenz und ist eine wichtige Aufgabe der Qualitätssicherung. Neben einigen einschlägigen Regelwerken und Leitlinien bietet das GDP How to do Dokument der APIC Orientierung in Bezug auf die Mindestanforderungen für sichere und transparente Lieferketten.
Anforderungen der GMP Inspektoren zu Datenintegrität
Die gesteigerte Aufmerksamkeit, die die FDA dem Thema Datenintegrität widmet, spiegelt sich in den zahlreichen Warning Letters der letzten Jahre wider, in denen Versäumnisse beim Umgang mit elektronischen Systemen und (Roh-)Daten aufgeführt werden. Entsprechend intensiv wird seit einiger Zeit über "Data Integrity" diskutiert. Nur, ist dieses Problem wirklich so neu? Ausgehend von dieser Leitfrage erläuterte Carmen Faba Tortosa vom spanischen Departamento de Inspección y Control de Medicamentos, was GMP-Inspektoren bezüglich des Umgangs mit Daten von den Firmen erwarten - und was sie wirklich vorfinden. Tatsächlich lässt die "Good Data and Record Management Practice" (GDRP) bei vielen Firmen in den letzten Jahren immer mehr zu wünschen übrig, und das obwohl seit einiger Zeit Regelwerke hierzu existieren (EU GMP-Leitfaden Teil II Kap. 5+6, EU GMP-Leitfaden Annex 11, 21 CRF 210 Part 11, WHO Annex 5 etc.) und die Standards sich nicht grundsätzlich geändert bzw. verschärft haben - auch nicht durch die kürzlich erschienenen Dokumente der MHRA (GMP Data Integrity Guide) und der EMA (Q&A zu Data Integrity). Die meisten Mängel sind bei folgenden Szenarien anzutreffen: Die Wirkstoffproduktion findet in Drittländern statt; mehrere Aktivitäten sind an Subunternehmer vergeben und die Lieferketten sind entsprechend komplex und meist intransparent. Finanzielle/ökonomische Probleme stellen einen weiteren Risikofaktor dar, was die Wahrscheinlichkeit für schlechtes Datenmanagement erhöht.
Diese Szenarien sind es auch, die die Qualified Person immer wieder vor schwierige Entscheidungen stellt, wie z.B. ob eine Charge guten Gewissens zertifiziert werden kann oder nicht. "What keeps QPs awake at night from an API perspective" - diese Leitfrage bildete die Grundlage der Ausführungen von Dick Bonner aus dem Vereinigten Königreich, die sich um die ultimative Verantwortung der Qualified Person in einem Pharmaunternehmen in Bezug auf die verwendeten Wirkstoffe drehten. Mit der Erklärung (QP Declaration) der GMPgerechten Herstellung des Wirkstoffs (gemäß Teil II des EU GMP-Leitfadens) bestätigt die Qualified Person auch die nach den Prinzipien des Risikomanagements ausgeübte Kontrolle über die Lieferketten, die Lieferanten und alle sonstigen nach außen vergebenen Aktivitäten. Hierbei können Entscheidungssituationen unter erheblichem psychologischem Druck auftreten. Dick Bonner illustrierte dies an folgendem Beispiel: Auf eine Anfrage erfährt die QP, dass dem Lieferanten des Wirkstoff s, der in der letzten Arzneimittelcharge verarbeitet wurde, das CEP bereits vor 6 Monaten aberkannt wurde. Die Auslieferung des Arzneimittels ist dringend, der letzte LKW, der die Lieferung noch rechtzeitig zum Kunden bringen könnte, wird in 30 Min das Firmengelände verlassen. In der Vergangenheit traten noch nie Qualitätsprobleme beim Produkt auf -warum also die Ware nicht freigeben? Dick Bonners Ratschlag zur Vermeidung solcher und ähnlicher nervenzehrender Situationen lautet: Je besser und vertrauensvoller das Verhältnis der QP zum Wirkstoffhersteller ist, desto leichter ist dieser anspruchsvolle Job zu meistern.
Das Verunreinigungsprofil ist eines der wichtigsten Qualitätskriterien von pharmazeutischen Wirkstoff en. Neben den ICH-Leitlinien Q3A-C waren es in jüngster Vergangenheit vor allem die Guidelines zu elementaren und mutagenen Verunreinigungen, Q3D und M7, die zu intensiven Diskussionen Anlass gaben. Nach Diana van Riet-Nales vom niederländischen Medicines Evaluation Board lag der tiefere Grund zur Entwicklung der M7- Leitlinie in der Notwendigkeit, diesbezüglich die Vorgehensweisen der Zulassungsbehörden in der EU und den USA zu harmonisieren. Ein weiterer Anlass ergab sich aus der Tatsache, dass von Seiten der Industrie Unzufriedenheit darüber herrschte, wie die Leitlinie der EMA "Guideline on the Limits of Genotoxic Impurities" aus dem Jahr 2006 von den Behörden der einzelnen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt wurde. Ähnlich verhielt es sich mit der Leitlinie ICH Q3D; auch hier bestand Harmonisierungsbedarf innerhalb der ICH-Regionen. Die Herausforderung sowohl für die Industrie als auch für die Behörden liegt in der ausdrücklich wissenschaftlich orientierten Vorgehensweise bei der Risikobewertung von Wirkstoff en und Arzneimitteln, die die ICH Q3D fordert. Dies führt zu unterschiedlichen Bewertungen durch die Assessoren der einzelnen EU-Mitgliedstaaten und kann zu Verzögerungen im Zulassungsverfahren und im schlechtesten Fall zu Schiedsverfahren führen. Diese Situation sollte sich jedoch mit wachsender Erfahrung mit Risiko-Assessments auf beiden Seiten verbessern. Dies ist auch notwendig, denn ab Dezember 2017 sind Risikobewertungen gemäß ICH Q3D auch für bereits zugelassene Arzneimittel gefordert.
Risikobewertungen bezüglich Elemental Impurities sind seit August 2016 auch Teil eines CEP-Antragsverfahren (nicht zwingend, aber vom EDQM dringend empfohlen). Hélène Bruguera, Leiterin der Zertifizierungsabteilung des EDQM in Straßburg erläuterte, worauf die Assessoren des EDQM bei der Begutachtung von Risikobewertungen im CEP-Dossier achten. Ein reines Chargen-Screening ist nicht ausreichend; vielmehr müssen, soweit bekannt, die Darreichungsformen, alle möglichen Verunreinigungsquellen (Produktionsausrüstung, Hilfsmittel, Packmaterialien), Spezifikationen, analytische Verfahren sowie Angaben zu deren Validierung etc. beschrieben werden.
Rangliste der GMP Non-Compliance Findings
Die Einhaltung von GMP-Regeln bei der Wirkstoffherstellung existieren zwar schon seit über 16 Jahren und sind ein wichtiger Beitrag zur Patientensicherheit. Dennoch kommt es immer wieder zu Ausnahmen hiervon - zumeist in Produktionsstandorten in Ländern aus Fernost. Brendan Cuddy vom Committees & Inspections Department der EMA, London, erläuterte die Rangfolge der Häufigkeit von "non-Compliance"-Befunden bei Inspektionen im Zeitraum von 2013-2015. Die drei häufigsten Mängel sind: mangelhafte Datenintegrität (20%), Mängel bei Gebäude, Technik und Ausrüstung (16%), Kontaminationsrisiken in der Sterilfertigung (14%). Die Konsequenzen sind weitreichend; sie umfassen u.a. behördliche Sanktionen gegen die außerhalb von GMP produzierenden Firmen und strengere gesetzliche Vorschriften. Betriebe, die Wirkstoff e aus Drittländern beziehen, besitzen eine höhere Verantwortung denn je. Diese Verantwortung geht einher mit einem entsprechenden kommerziellen Risiko für den Fall, dass durch Qualitätsmängel am Produkt Patienten geschädigt werden.
Änderungen bei der Herstellung von Wirkstoff en sind einerseits ein Motor für Innovation und Steigerung der Effizienz, haben andererseits jedoch einen erheblichen Aufwand in Bezug auf die Zulassungsdokumentation zur Folge. Marieke van Dalen von Aspen Oss aus den Niederlanden und Vorstandsmitglied der APIC, erläuterte an verschiedenen Beispielen, wie kompliziert Änderungsverfahren in verschiedenen Ländern sein können. Ein simpler Austausch einer Titrationsmethode durch eine HPLC-Analytik bei der Gehaltsbestimmung eines Wirkstoff s ist im ASMF-Verfahren in der EU eine Typ 1B-Änderung, im CEP-Antragsverfahren eine Änderung vom Typ 1A, in den USA ein PAS (prior approval supplement) und in Japan ein MCN, also eine geringfügige ("minor") Änderung. Hinzu kommen regional unterschiedliche Einreichungs- und Bearbeitungsfristen. Bei generischen Wirkstoff en kann dies tatsächlich zu Situationen führen, in denen der Hersteller einen Wirkstoff gleichzeitig konventionell und nach dem neuen (geänderten) Verfahren produzieren muss, je nachdem ob sein Kunde die Änderung bei der Zulassungsbehörde bereits eingereicht hat oder nicht.
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Die 19. APIC-Konferenz in Barcelona bot wiederum ein eindrucksvolles Beispiel dafür, welch hoher Stellenwert der Austausch von Informationen und Meinungen zwischen Vertretern der Behörde und Industrie hat. Die wertvollen Anregungen für die tägliche Arbeit werden nach wie vor von allen Beteiligten wertgeschätzt; dies zeigten nicht nur die lebhaften Diskussionen im Plenum und den Parallel-Sessions, sondern auch die vielen Gespräche am Rande in den Pausen und beim gemeinsamen Abendessen am ersten Konferenztag. Für diesen Austausch bot diese Veranstaltung wieder einmal den perfekten Rahmen.
Autor:
Dr. Gerhard Becker
... kam 2002 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Analytik und Compliance.