Stabilitätsprüfung für medizinisches Cannabis - Was ist zu beachten?
Einleitung
Stabilität ist definiert als das Ausmaß, in dem ein Produkt innerhalb festgelegter Grenzen dieselben Eigenschaften und Merkmale behält, die es zum Zeitpunkt seiner Herstellung und Freigabe besaß, und zwar während seiner gesamten Lagerungs- und Verwendungsdauer (d. h. seiner Haltbarkeitsdauer). Alle Spezifikationsgrenzen gelten somit während der Stabilitätsstudien und während der gesamten Haltbarkeitsdauer (Shelf-life) des Arzneimittels bis zum Ende des angegebenen Verfallsdatums (Wirkstoffe (APIs): Re-test period / Retest date). Jedes auf dem Markt befindliche Arzneimittel muss so beschaffen sein, dass es bei vorschriftsmäßiger Lagerung bis zum Ablauf des Verfallsdatums (Expiry date) alle geltenden Anforderungen des Arzneibuchs und der Herstellerspezifikationen erfüllt. Aber welche Parameter müssen für medizinisches Cannabis bei Stabilitätsstudien geprüft werden? Und welche Anforderungen gelten? Nützliche Informationen zu diesen Fragen finden Sie in den folgenden Abschnitten.
Stabilitätsprogramm nach EU-GMP - Was ist erforderlich?
Das Stabilitätsprogramm, das in Übereinstimmung mit dem ICH-Leitfaden Q1 zur Stabilität erstellt wird, ist erforderlich, um die Haltbarkeit eines Produkts zu bestimmen und eine Zulassung zu erhalten.
Gemäß EU-GMP-Leitfaden (Kapitel 6) muss der Hersteller ein fortlaufendes Stabilitätsprogramm haben, um die Haltbarkeit eines Produktes zu gewährleisten. Das Programm muss den Anforderungen von ICH Q1 entsprechen. Bracketing und Matrixing sind gemäß den ICH Q1-Leitlinien möglich ("Stabilitätsstudien sollten für jede einzelne Stärke und Behältnisgröße des Arzneimittels durchgeführt werden, es sei denn, es wird Bracketing oder Matrixing angewendet"). Für Mehrfachdosenbehälter sind üblicherweise In-Use-Stabilitätsstudien gemäß der NOTE FOR GUIDANCE ON IN-USE STABILITY TESTING OF HUMAN MEDICINAL PRODUCTS der EMA erforderlich. Im Rahmen von GPP ("Good Production Practice", wie z. B. in Kanada / NZ angewendet) sind Stabilitätsprüfungen allerdings in der Regel nicht erforderlich.
Die spezifischen Anforderungen an die Stabilitätsprüfung von pflanzlichen Arzneimitteln wie Cannabis, das zu den Betäubungsmitteln gehört, sind manchmal eine Herausforderung. So muss die Lagerung beispielsweise in Klimakammern in speziell konzipierten und gesicherten Einrichtungen erfolgen. Darüber hinaus sind besondere Vorschriften für die Ein- und Ausfuhr (z. B. Sonderlizenzen), den Transport (z. B. GDP + zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen), die Handhabung von Proben und Abfällen sowie die Dokumentation zu beachten.
Wie werden CBD und THC abgebaut?
In saurem Milieu wandelt sich Cannabidiol (CBD) in Δ8- und Δ9-THC um, während in (stark) alkalischem Milieu eine Oxidation zu einem Chinon durch die Reaktion mit Sauerstoff stattfindet. Bei der Lagerung an der Luft kann THC zu Cannabinol (CBN) dehydriert werden. CBN ist ebenfalls ein Oxidationsprodukt von Tetrahydrocannabinol (THC). Daher legen die meisten nationalen Pharmakopöen einen Grenzwert von max. 1% für CBN (D, DK, CH) in Blüten (D: in Extrakten max. 2,5%) und max. 1,5 % (Israela) als Stabilitätsindikator fest. Das USP Cannabis Expert Panelb schlägt für THC-dominante und THC/CBDintermediäre Typen vor, dass CBN max. 2 % des Gesamt-THCGehalts betragen soll.
Weitere Informationen finden Sie in dem Artikel "Thermal Stability of cannabinoids in dried cannabis: a kinetic study" von Juris Meija et al. in der Zeitschrift Analytical and Bioanalytical Chemistry vom Januar 2021. Darüber hinaus gibt es einen kostenlosen Simulator, der auf der Arbeit derselben Gruppe basiert - hier kann man mit verschiedenen Cannabinoid-Ausgangswerten und Temperaturen "spielen" und die nach einer bestimmten Zeit zu erwartenden Werte berechnen: Cannabis-Stabilitäts-Rechner (https://metrology.shinyapps.io/cannabis-calculator/).
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Welche Guidelines/Arzneibücher bieten nützliche Informationen?
Allgemein gültige Richtlinien der FDA und der USP General Chapters
- <1191> Stability Considerations in Dispensing Practice: Dieses Kapitel befasst sich mit Aspekten der Stabilität von Arzneimitteln, die für den Apotheker bei der Abgabe von Arzneimitteln von vorrangiger Bedeutung sind.
- <1079> Risks and Mitigation Strategies for the Storage and Transportation of Finished Drug Products
- <1149> Guidelines for Assessing and Controlling the Physical Stability of Chemical and Biological Pharmaceutical Raw Materials, Intermediates, and Dosage Forms (die ursprünglichen physikalischen Eigenschaften, einschließlich Aussehen, Geschmack, Gleichförmigkeit, Freisetzung und Suspendierbarkeit).
- <1207.1> Package Integrity Testing in the Product Life Cycle- Test Method Selection and Validation
- FDA Draft Guideline on Cannabis and Cannabis-Derived Compounds: Quality Considerations for Clinical Research
Spezifische EU-Leitlinien für Stabilität / pflanzliche Arzneimittel
Für pflanzliche Drogen, Zubereitungen aus pflanzlichen Drogen und pflanzliche Arzneimittel (Herbal Medicinal Products, HMPs) wird auf den Abschnitt zur Stabilität der EMA Guideline on quality of herbal medicinal products (EMA/HMPC/201116/2005) verwiesen.
Weitere Hinweise sind enthalten in:
- Start of shelf-life of the finished dosage form (Anhang zu den Leitlinien zur Herstellung der fertigen Darreichungsform) - CPMP/QWP/072/96.
- Questions and answers on quality of herbal medicinal products - EMA/HMPC/41500/2010.
- Reflection paper on stability testing of herbal medicinal products - EMA/HMPC/3626/2009
- Guideline on stability testing for applications for variations to a marketing authorization - EMA/CHMP/CVMP/QWP/ 441071/2011.
- Guideline on stability testing: stability testing of existing active substances and related finished products - CPMP/ QWP/122/02.
- Guideline on specifications: test procedures and acceptance criteria for herbal substances, herbal preparations and herbal medicinal products - EMA/HMPC/162241/2005.
- Guideline on quality documentation for medicinal products when used with a medical device - EMA/CHMP/QWP/ BWP/259165/2019
Welche Parameter müssen bei der Stabilität geprüft werden?
Die Frage ist oft: Welche Parameter sollten während des Stabilitätsprogramms geprüft werden? Und: Müssen alle Parameter für die Freigabeprüfung während der Stabilität geprüft werden? Es ist äußerst ratsam, den CBN-Gehalt (Abbauprodukt) während der Stabilitätsstudien zu prüfen (siehe oben).
Darüber hinaus wird in den Allgemeinen Leitlinien Maltas für die Herstellung von Cannabis zu medizinischen und Forschungszwecken (Anhang I, Qualität und Stabilität) vorgeschlagen, dass die Stabilitätstests mindestens Prüfungen des THC- und CBD-Gehalts, des Trocknungsverlusts (LOD) und der mikrobiologischen Kontamination umfassen müssen (siehe Tabelle 1).
Wo anwendbar, müssen die Prüfungen und Grenzwerte, die im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) in den allgemeinen Monographien Pflanzliche Drogen, Zubereitungen aus pflanzlichen Drogen und Extrakte aus pflanzlichen Drogen vorgesehen sind, befolgt werden (USP <561> Articles of Botanical Origin / <565> Botanical Extracts). Darüber hinaus müssen auch die Bestimmungen der nationalen Monographien (z. B. Dc, DKd, CHe, NZf) berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Verwendung von Analysemethoden sind auch die Ph. Eur. Kapitel 5.26. Implementation of pharmacopoeial procedures (neu) und 5.27. Comparability of alternative analytical procedures (Entwurf) hilfreich.
Im Falle der Verwendung von Extraktionsmitteln müssen Residual Solvents (Ph. Eur. 5.4, USP <467>) und Identification and Control of Residual Solvents (Ph. Eur. 2.4.24) berücksichtigt werden (im CoA). Bei Rohstoffen, die von einer externen Quelle stammen, können weitere Tests (z. B. auf Rückstände von Begasungsmitteln, Radioaktivität) erforderlich sein.
Tabelle 1: Vorgeschlagene Parameter für die Freigabe- und Stabilitätsprüfung von Cannabisblüten
ANALYSENZERTIFIKAT | STABILITÄTSPRÜFUNG |
CBN | CBN |
Gehalt THC* | Gehalt THC* |
Gehalt CBD* | Gehalt CBD* |
LOD** | LOD** |
Mikrobiologische Kontamination*** | Mikrobiologische Kontamination*** |
Pestizide1 | |
Schwermetalle1 | |
Mykotoxine1 | |
Fremde Bestandteile | |
(Gesamtasche)**** | |
Identität |
*Gehaltsgrenzen
Cannabisblüten: Üblicherweise muss der Gesamtgehalt an THC / CBD 90 - 110 % des angegebenen Gehalts betragen. Dies kann jedoch auch anders sein, z. B. wenn die Blüten als Wirkstoff betrachtet werden. Das USP Cannabis Expert Panel zum Beispiel empfiehlt 80 - 120 %.
DAB-Cannabisextrakt: THC-Gehalt: 1 - 25 %. Gehalt an THC / CBD: 90 bis 110 % des angegebenen Gehalts.
Fertige Darreichungsform (z. B. Cannabisöl): In der Regel muss der Gesamtgehalt an THC / CBD 95 - 105 % des angegebenen Gehalts betragen.
**In der Regel max. 10-15 %. Das USP Cannabis Expert Panel schlägt vor, einen Wasseraktivitätstest durchzuführen.
*** Ph. Eur. 5.1.8. / 5.1.4. [USP <1111>] (abhängig von der Darreichungsform / der Applikationsart), siehe auch: Reflection paper on microbiological aspects of herbal medicinal products (EMA/HMPC/95714/2013). Ausgangsmaterial / pflanzliche Drogen, die für die Herstellung von Extrakten verwendet werden: In der Regel können die Kriterien von Ph. Eur. 5.1.8, Kategorie A akzeptabel sein. Falls nachgewiesen wird, dass diese Grenzwerte nicht eingehalten werden können, müssen höhere Grenzwerte ausreichend begründet werden.
**** z. B. in DK, NZ vorgeschrieben (normalerweise max. 20 %)
1 Skip-Testing könnte möglich sein, wenn dies auf der Grundlage von Daten und einer Risikobewertung begründet und genehmigt wird.
Terpene: Wird die Menge an Terpenen (oder anderen Inhaltsstoffen, einschließlich anderer Cannabinoide) angegeben und gekennzeichnet, wenn sie als Wirkstoff vorgesehen sind, muss der Gehalt auch mittels einer (validierten) Gehaltsbestimmungsmethode während der Stabilitätsstudien geprüft werden.
Wo kann ich Informationen über Referenzsubstanzen finden?
2008 veröffentlichte das HMPC der EMA ein Reflection Paper on Markers used for Quantitative and Qualitative Analysis of HMPs (EMEA/HMPC/253629/2007). Das HMPC kündigte kürzlich an, die Definitionen der Ph. Eur. und die Monographien/ Bewertungsberichte des HMPC zu überprüfen und dabei die regulatorische Praxis und die unterschiedlichen Ansichten über die Rolle aktiver und analytischer Marker zu berücksichtigen. Es soll ein Diskussionspapier mit Vorschlägen für bessere Definitionen unter Berücksichtigung bestehender Ph. Eur. Definitionen für Extrakttypen (insbesondere für quantifizierte Extrakte) verfasst werden [HMPC-Arbeitsplan 2022]. Weitere Leitlinien (z. B. zu den Anforderungen an die Charakterisierung von Referenzsubstanzen, die als Primärstandard festgelegt werden sollen) finden sich in Ph. Eur. 5.12. Referenzstandards.
Das Deutsche Arzneibuch (DAB) enthält derzeit die beiden Monographien Cannabisblüten und Eingestellter Cannabisextrakt. Darin sind Referenzsubstanzen wie Cannabinol (CBN) und Cannabidiol (CBD) für Gehalts- und Reinheitstests sowie für Identitätstests (DC) vorgeschrieben. In einer Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 9. Februar 2022 werden folgende überarbeitete Reagenzienbeschreibungen zur Aufnahme in das DAB empfohlen:
Cannabinol RN
Cannabidiol RN
Cannabidiolsäure RN
Delta-8-Tetrahydrocannabinol RN
Delta-9-Tetrahydrocannabinol RN
Delta-9-Tetrahydrocannabinol-Säure RN
Die Überarbeitung betrifft die Änderung, dass 13C-NMR-Daten
alternativ (oder zusätzlich zu 1H-NMR-Daten) zur Identifizierung
verwendet werden können. Zuvor mussten die Substanzen
1H-NMR- und 13C-NMR-Tests entsprechen.
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Ph. Eur. und USP
Im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) sind derzeit keine Ph.- Eur.-Referenzsubstanzen für die Cannabisanalyse vorgesehen (die Ph. Eur. Cannabismonographien für Blüten und Extrakte sind derzeit in Arbeit). Die USP enthält jedoch Monographien für Dronabinol und CBD (Entwurfg) und bietet bereits mehrere Referenzsubstanzen an (siehe auch die USP-Website "Cannabis for medical use"):
Delta-9-Tetrahydrocannabinol
Exo-Tetrahydrocannabinol
Cannabinoid-Säuren-Mischung
Cannabinoide-Mischung
Cannabidiol-Lösung
Cannabidiol
Delta-8-Tetrahydrocannabinol (Δ-8-THC) wird in der USP unter "Reagenzien" beschrieben ("Use a suitable grade, which may be a solid material or a solution in methanol"). Dort sind auch mehrere Bezugsquellen für Δ-8-THC "geeigneter Qualität" aufgeführt.
Hinweis: Am 8./9. November 2022 findet die Live Online Konferenz "GMP for Herbal Medicinal Products (HMPs) + Qualification/Validation for Cannabis" statt. Die englischsprachige Veranstaltung ersetzt in diesem Jahr das Phytopharmaka-Symposium.
Über die Autorin:
Dr. Andrea Kühn-Hebecker
... ist seit 2015 bei CONCEPT HEIDELBERG und als Fachbereichsleiterin verantwortlich für die Themen Packaging, Phytopharmaka, Entwicklung und Life Cycle Management.
Fußnoten:
a Israel Medical Cannabis (IMC) - GMP (SOP 152): Gute Herstellungspraxis für medizinische Cannabisprodukte.
b Cannabis Inflorescence for Medical Purposes: USP Considerations for Quality Attributes (J. Nat. Prod. 2020, 83, 1334-1351).
c Deutsches Arzneibuch (DAB) Monographien Cannabisblüten und Eingestellter Cannabisextrakt
d Dänische Monographie Cannabisblüten (Dansk monografi Cannabisblomst)
e Schweizerisches Arzneibuch (Ph. Helv.) Monographie Cannabisblüten
f New Zealand Product Quality Standards Monograph (Appendix 2 of the Medicinal Cannabis Scheme)
g Entwurf der USP-Monographie Cannabidiol [Pharmacopeial Forum (PF) 48(1)]