Statistischer Ansatz für die aseptische Prozesssimulation: Repräsentativität und proaktive Festlegung von Warngrenzen bei aseptischen Eingriffen

    

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Einleitung

Die aseptische Prozesssimulation (APS - aspetic process  simulation) ist ein kritischer Bestandteil der sterilen pharmazeutischen Herstellung. Für manche stellt die Sicherstellung, dass die in der APS simulierten Bedingungen für den tatsächlichen Routineprozess der aseptischen Herstellung wirklich repräsentativ sind, eine Herausforderung dar. Leitlinien der  Regulierungsbehörden und der Industrie1-4 bieten einen Rahmen für die Konzeption der APS, sie bieten aber nicht  immer ausreichend Anleitung, wie nachgewiesen werden kann, dass spezifische Bedingungen wie die Dauer oder die Anzahl der korrigierenden aseptischen Eingriffe (AI - aseptic intervention) für Routinetätigkeiten repräsentativ sind.

Darüber hinaus wird die regelmäßige APS manchmal fälschlicherweise als retrospektive Analyse angesehen, mit der vergangene Herstellungsbedingungen abgedeckt werden sollen. Trendanalysen, die zur Bewertung der Anzahl und der Dauer der AI, die während der APS simuliert werden, herangezogen werden, sollten nicht nur die vergangene Leistung beurteilen, sondern auch Warngrenzen für die zukünftige aseptische Herstellung festlegen. Dieser Ansatz hilft sicherzustellen, dass die APS jede hergestellte Charge abdeckt. Andernfalls wäre vor der Chargenfreigabe eine fundierte Begründung erforderlich.

In Leitlinien der Regulierungsbehörden und der Industrie1-4 wird gefordert, dass Hersteller ihre APS so konzipieren, dass sie die routinemäßigen aseptischen Bedingungen so gut wie möglich nachahmen. Das umfasst die Simulation sowohl inhärenter (auch „routinemäßig genannt) als auch korrigierender (auch „nicht routinemäßig genannt) aseptischer Eingriffe. Inhärente Eingriffe (z. B. Einrüstung, Austausch von Sedimentationsplatten) erfolgen regelmäßig, während korrigierende Eingriffe (z. B.  Austausch der Nadel, Öffnen der Türen in Restricted Access Barrier Systemen) nur durchgeführt werden, wenn während der aseptischen Herstellung etwas repariert oder angepasst werden muss. In einigen Fällen sollten ungeplante Eingriffe, die nicht als qualifizierte aseptische Eingriffe klassifiziert sind, und die während der routinemäßigen Chargenherstellung auftreten können, typischerweise simuliert werden, sofern nicht eine fundierte Begründung bereitgestellt wird4. Bei der Bewertung ungeplanter Eingriffe würde das Risikoniveau (Risiko der Kontamination) des Eingriffs unter Berücksichtigung verschiedener Elemente wie a) der Dauer, b) der Komplexität, c) der Nähe zum Produkt oder einer Störung der direkt vom HEPA-Filter kommenden Luft (first air) durch einen sterilen oder einen nicht sterilen Gegenstand, d) der menschlichen Exposition (z. B. offene  oder geschlossene Tür) definiert werden5.

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In Annex 1 (9.34) des EU GMP-Leitfadens wird betont, dass die APS eine Vielzahl aseptischer Arbeiten und Eingriffe erfassen sollte, die während der Routineherstellung beobachtet werden, einschließlich Worst-Case-Szenarien. Es wird insbesondere Folgendes gefordert:

  • Sowohl die inhärenten als auch die korrigierenden Eingriffe sollten auf eine Weise und in einer Häufigkeit durchgeführt werden, die routinemäßig angewendeten aseptischen Tätigkeiten entsprechen.
  • Die Einbeziehung und Häufigkeit von Eingriffen sollte auf den bewerteten Risiken für die Sterilität des Produkts basieren.

In der Leitlinie der US-amerikanischen FDA zur aseptischen  Herstellung2 wird betont, dass Media Fill-Studien die aseptischen Herstellungstätigkeiten unter Einbeziehung von Worst-Case-Szenarien und herausfordernden Bedingungen genau nachbilden sollten, um aseptische Bedingungen zu prüfen. Die FDA empfiehlt, dass sich Media-Fill-Programme mit Schlüsselfaktoren auseinandersetzen. Zu diesen zählen:

  • Eine repräsentative Anzahl, Art und Komplexität von Routineeingriffen, die bei jedem Durchlauf durchgeführt werden, sowie nicht routinemäßige Eingriffe und Ereignisse (z. B. Wartungstätigkeiten, Sillstände der Ausrüstung oder Anpassungen).
  • Eine repräsentative Anzahl aseptischer Eingriffe wie die Beschickung mit Behältern, Verschlüssen sowie sterilen Wirkstoffen oder wie den Transfer.

Häufig ergibt sich die folgende Frage: Wie können wir sicherstellen, dass die Anzahl und die Dauer der aseptischen Eingriffe, die im nächsten APS simuliert werden, wirklich für  die Routinebedingungen repräsentativ sind, die während eines kürzlich zurückliegenden  Herstellungszeitraum, sagen wir einmal, die letzten sechs Monate, vorlagen? Die Antwort liegt in der Statistik (6-8), statt sich ausschließlich auf empirische oder extreme Ansätze zu verlassen.

Abbildung 1: Levey-Jennings-Diagramm der AI-C2 über zwei Zeiträume der Chargenherstellung hinweg. Die gestrichelte rote Linie ist der Mittelwert+SD (Warngrenze gemäß der APS, die nach dem Zeitraum 1 durchgeführt wurde), die rote Linie stellt den Mittelwert+3SD dar und die grüne Linie ist der Mittelwert.

 

Ein empirischer Ansatz würde den Durchschnitt (auch Mittelwert genannt) der Anzahl  von AI bilden, die während der letzten sechs  Monate durchgeführt wurden, während ein extremer Ansatz die Höchstzahl berücksichtigen würde, die während dieses Zeitraums durchgeführt wurde. Beide Methoden weisen Limitationen auf, da es ihnen nicht gelingt, die Variabilität oder Trends in den Daten vollständig zu erfassen. Hier wird die statistische Analyse unerlässlich.

Damit dieser Artikel den Rahmen nicht sprengt, konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Anzahl der korrigierenden Eingriffe. Derselbe Ansatz kann aber auch auf die Dauer der aseptischen Eingriffe angewandt werden. Die Dauer der AI ist ein wesentlicher Faktor beim Media Fill Design4, mit dem sichergestellt wird, dass die Variabilität der Bedienenden berücksichtigt wird und die für jeden Eingriff herangezogene Zeitdauer weder kürzer ist als die in der Strömungsvisualisierung mit Prüfaerosol (Smoke Studies) noch länger als erforderlich. Diese Dauer wird jedoch häufig vernachlässigt und bei Chargenprüfungen nicht konsistent verfolgt oder überwacht, selbst wenn die Art der korrigierenden AI sowie die Anfangs und Endzeiten in dem Chargenprotokoll dokumentiert werden.

Diskussion

Der Mittelwert einer Grundgesamtheit stellt die zentrale Tendenz der der Daten dar, gibt aber nicht direkt an, wie viel der Grundgesamtheit er abdeckt. Beziehen Sie sich jedoch auf die Erfassung der Grundgesamtheit in einer Normalverteilung, so teilt der Mittelwert allein die Grundgesamtheit in zwei gleiche Hälften, wobei 50 % der Datenpunkte unterhalb und 50 % der Datenpunkte oberhalb des Mittelwertes liegen.

Wenn Sie messen möchten, welcher Anteil der Grundgesamtheit innerhalb eines Bereichs um den Mittelwert erfasst wird, müssen Sie Standardabweichungen (Sigma oder Standardabweichung (SD - standard deviation)) einbeziehen.

  • Innerhalb 1 Standardabweichung (±1σ): Ungefähr 68,28 % der Grundgesamtheit werden erfasst (34,14 % auf jeder Seite des Mittelwerts).
  • Innerhalb von 2 Standardabweichungen (±2σ): Ungefähr 95,44 % der Grundgesamtheit werden erfasst.
  • Innerhalb von 3 Standardabweichungen (±3σ): Ungefähr 99,72 % der Grundgesamtheit werden erfasst.

Statt sich auf Durchschnitts- oder Extremwerte zu verlassen, empfehlen wir einen einfachen statistischen Ansatz. Bedenken Sie, dass die mittlere (durchschnittliche) Anzahl von korrigierenden AI plus eine Standardabweichung (SD) grob 68,26 % der Grundgesamtheit repräsentieren. Für diejenigen, die einen konservativeren Ansatz bevorzugen, wird durch die Verwendung des Mittelwerts mit zwei oder drei Standardabweichungen ein größerer Anteil der Grundgesamtheit erfasst. Mit dieser Methode können die Herstellstandorte nachweisen, dass die Anzahl und Dauer der in APS simulierten korrigierenden AIs für den Routinebetrieb repräsentativ sind.

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Schauen wir uns zusammen ein Beispiel einer aseptischen Anlage an, in der alle sechs Monate zwischen 20 und 40 Chargen hergestellt werden. Das erste Ziel besteht darin, die Anzahl und Dauer der korrigierenden AI festzulegen, die in der nächsten APS zu simulieren sind, und dabei sicherzustellen, dass sie die routinemäßigen aseptischen Bedingungen repräsentieren. Die Anzahl und Dauer der AI sollte als Mittelwert + x.SD festgelegt werden, wobei „x abhängig von dem Maß an Vorsicht und der verwendeten Begründung einen Wert von 1 bis 3 haben kann. Das zweite Ziel ist es, den Mittelwert + x.SD als Warngrenze für die Anzahl und Dauer der korrigierenden AI während der routinemäßigen aseptischen Herstellung zu behandeln. Überschreitet eine Charge die Warngrenze, muss vor der Chargenfreigabe eine Untersuchung durchgeführt oder eine Begründung vorgelegt werden9 . Das dritte Ziel ist die Verwendung der statistischen Analyse zur Begründung atypischer Ergebnisse, wie ungewöhnlich lang andauernde aseptische AI oder hohe Anzahlen antiseptischer Eingriffe, indem nachgewiesen wird, dass sie noch innerhalb einer repräsentativen Bandbreite liegen (Mittelwert + 3 SD). Liegt eine Charge außerhalb dieser Bandbreite und es wird keine gültige Begründung vorgelegt, sollte bei der nächsten APS ein extremer (Worst-Case) Ansatz für diese spezifische Art AI angewendet werden.

Abbildung 2: Levey-Jennings-Diagramm der AI-C2 über drei Zeiträume der Chargenherstellung hinweg. Nur eine Charge ist über drei Zeiträume hinweg außerhalb des Mittelwerts+3SD, was eine Begründung erforderlich machen würde, dass sie durch die APS-Bedingungen abgedeckt ist.

 

In Tabelle 1 (am Ende des Artikels) werden Informationen zur Art und Anzahl der korrigierenden aseptischen Eingriffe (AI) gegeben, die bei jeder Charge durchgeführt werden. Jeder Zeitraum in der Tabelle stellt einen Zeitrahmen von sechs Monaten dar (z. B. Januar bis Juni oder Juli bis Dezember). Der erste Zeitraum (Zeitraum 1) legt den Ausgangswert für die Anzahl von Eingriffen fest, die in der nächsten regelmäßig stattfindenden APS zu simulieren sind. Dieser, auf dem Zeitraum 1 basierende Ausgangswert wird in unserem Beispiel als der Mittelwert + Standardabweichung (Mittelwert + SD) festgelegt.

Diejenigen, die einen konservativeren Ansatz bevorzugen, können die folgende Regel anwenden: Wenn der berechnete Mittelwert + SD niedriger als 3 ist, sollte der Eingriff während der APS dreimal simuliert werden. Die während der APS simulierte Anzahl würde als die Warngrenze betrachtet (diese wird in Abbildung 1 durch eine gestrichelte rote Linie dargestellt), während der Mittelwert + 3 SD die maximale Anzahl an Eingriffen darstellt (z. B. AI C-2), die noch als typisch für eine spezifische Charge und als repräsentativ für die aseptischen Bedingungen angesehen werden kann, die in der vorangegangenen APS erfasst wurden.

Als nächster Schritt ist die folgende Frage zu beantworten: „Wie stellen wir fest, ob es einen Aufwärtstrend in der Anzahl oder der Dauer der aseptischen Eingriffe gibt? Eine einfache Antwort würde lauten: „Indem wir eine Trendanalyse durchführen, die die Daten über Zeiträume hinweg vergleicht (z. B. Januar bis Juni gegenüber Juli bis Dezember). Eine nach rechts gerichtete Verschiebung des Mittelwerts auf der x-Achse bedeutet eine Zunahme der AI, während eine nach links gerichtete Verschiebung eine Abnahme bedeutet.

Ein Aufwärtstrend ist aber mehr als nur eine kleine Veränderung des Mittelwerts; er spiegelt eine signifikante Zunahme in der Anzahl der AI wider, die untersucht werden muss. Bei dem von uns vorgeschlagenen Ansatz wird zur Feststellung statistisch signifikanter Aufwärtstrends die prozentuale Veränderung im Mittelwert und in der Standardabweichung (SD) zwischen Zeiträumen verglichen. Dies wird als „%PoP (percentage period over period (Prozentsatz von Zeitraum zu Zeitraum) bezeichnet.

Formel 1: %PoP-Mittelwert = ((Neuer Mittelwert / Vorheriger Mittelwert) 1) x 100

Es reicht möglicherweise nicht aus, den Schwerpunkt aus schließlich auf den Mittelwert zu legen, da eine Verschiebung nach rechts eintreten könnte, ohne dass diese statistisch  signifikant ist. Deshalb ist es entscheidend, auch die Standardabweichung (SD) zwischen den Zeiträumen zu berücksichtigen. Die SD gibt einen Einblick in die Verteilung der Daten innerhalb von Chargen und zwischen Chargen. Eine statistisch  signifikante Änderung in der SD sollte eine Untersuchung auslösen, um festzustellen, ob sich ein Aufwärtstrend abzeichnet.

Formel 2: %PoP SD = ((Neue SD / Vorherige  SD) 1) x 100

Um sicherzustellen, dass die festgestellten  Unterschiede nicht in einer Änderung begründet sind, sollte die optimale %PoP-Grenze festgelegt werden. Ein p-Wert unterhalb einer signifikanten Schwelle (z. B. 0,05) deutet auf einen statistisch signifikanten Unterschied hin.  In Bezug auf aseptische Eingriffe wird ein p-Wert von 0,1 oder niedriger typischerweise  als ausreichend erachtet (basierend auf den  Erfahrungen des Autors) und bietet eine 90%- ige Sicherheit, dass alle beobachteten Unterschiede im Mittelwert für die Feststellung  eines Aufwärtstrends bedeutsam sind.

Basierend auf den Erfahrungen und der statistischen Analyse zahlreicher Standorte, die 20 bis 40 Chargen herstellen, ist ein 50 %-iges  Ansteigen des %PoP-Mittelwerts normalerweise ausreichend, um eine frühzeitige Warnung wegen eines Aufwärtstrends auszulösen, während ein Ansteigen um mehr als 50 % einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen zwei oder mehr Zeiträumen  garantiert (wie in Abbildung 3 gezeigt). Der Schwellenwert für das Ansteigen des %PoP  kann unter Verwendung statistischer Tests wie dem t-Test oder der ANOVA abhängig von der Stichprobengröße (N) und der Anzahl an Zeiträumen mit einem p-Wert unter 0,1 angepasst und begründet werden. Dies gewährleistet eine Wahrscheinlichkeit von 90 %, einen Ausreißer oder einen Aufwärtstrend festzustellen.

Liegt eine ungleiche Varianz vor, steigt im Vergleich zu den Bedingungen mit gleicher Varianz die Wahrscheinlichkeit, die gleiche Änderung des %PoP festzustellen. Demzufolge sollten im Rahmen einer Trendanalyse signifikante Änderungen sowohl im Mittelwert als auch in der SD untersucht werden, insbesondere wenn der %PoP um mehr als 50 % ansteigt.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass möglicherweise unterschiedliche statistische Werkzeuge erforderlich sind, um bei ähnlichen Mittelwerten Änderungen zu vergleichen. So ist die ANOVA von Welch beispielsweise besonders wirksam für den Vergleich von Zeiträumen mit ähnlichen Mittelwerten aber ungleichen Varianzen und ermöglicht eine genauere Bewertung von Unterschieden in der Varianz zwischen Zeiträumen.

Schließlich hilft das Festsetzen einer optimalen Erhöhung der %PoP-Grenze, die frühzeitige Ermittlung eines potenziellen Aufwärtstrends sicherzustellen, was einen rechtzeitigen CAPA-Plan ermöglicht. Dies ist aber nur möglich, wenn die Daten nach jeder Charge protokolliert und analysiert werden, statt damit bis zum Ende eines Zeitraums zu warten.

Kehren wir zu unserem Beispiel zurück (Tabelle 1). Basierend auf der retrospektiven statistischen Analyse, die die Zeiträume 1 und 2 vergleicht, weisen die AI C-2, C-5, C-6 und C-7 einen  %PoP-Mittelwert auf, der 50 % übersteigt (in Tabelle 1 rot hervorgehoben), was auf einen Aufwärtstrend hindeutet, der einer weiteren Untersuchung bedarf. Zusätzlich weisen die AI C-2, C-6, C-7, C-8, C-12 und C-14 eine Erhöhung um mehr als 50 %  des %POP-SD auf, was ebenfalls eine Untersuchung erfordert, um den Aufwärtstrend zu begründen.

Abbildung 3: Verwendung der Anwendung „JMP 18 zur Analyse der AI C-2 über drei Zeiträume hinweg unter Verwendung des ANOVA-Tests und des Each pair Student's t-Tests.

 

Die Warngrenze kann nach jeder APS angepasst werden, um sicherzustellen, dass alle zukünftig hergestellten Chargen an  den festgelegten APS-Bedingungen ausgerichtet sind, was die frühzeitige Entdeckung potenziell atypischer Chargen ermöglicht. Es ist wichtig festzustellen, dass nicht alle Untersuchungen eine vollständige Analyse nach der 5M-Methode (Mensch, Maschine, Material, Methode, Mutter Natur) erfordern. In vielen Fällen kann eine einfache Überprüfung der Chargendokumentation schnell klären, welche Gründe für die gestiegene Anzahl an aseptischen Eingriffen vorliegen. Ziel ist es, proaktiv und nicht reaktiv zu sein.

In dem vorgestellten Beispiel (Abbildung 1 auf Seite 20) zeigen die Chargen AB20 und AB25 atypische Anzahlen für die AI-C2, da sie den Mittelwert + 3SD für den Zeitraum 1 übersteigen. Auf ähnliche Weise ist die Charge AB40 atypisch für den Zeitraum 2. Wird am Ende des Zeitraums 2 eine retrospektive Analyse durchgeführt, kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Chargen AB20 und AB26 durch die APS abgedeckt  sind, die nach dem Zeitraum 2 durchgeführt wird und Daten  aus beiden Zeiträumen verwendet. Wird für die Charge AB40 jedoch keine gültige Begründung vorgelegt, sollten während der APS Worst-Case-Bedingungen simuliert werden, um die  aseptischen Bedingungen sicherzustellen und andere Chargen abzudecken.

Es muss angemerkt werden, dass die Chargen AB20 und AB26 nur als abgedeckt gelten würden, wenn die Daten aus der  AI-C2 für die Charge AB40 zurückbehalten und nicht von der statistischen Analyse ausgeschlossen werden. Das stellt sicher, dass die Analyse die wahre Variabilität reflektiert und hilft, repräsentative Prozessbedingungen beizubehalten.

Es reicht nicht, den Schwerpunkt isoliert auf jeden Zeitraum zu legen, da die APS zwischen den Zeiträumen durchgeführt  wird. Zur Unterstützung der Chargenfreigabe und zum Nachweis, dass die hergestellten Chargen die APS-Bedingungen tatsächlich widerspiegeln, müssen die Daten holistisch  analysiert werden (siehe Abbildung 2 auf Seite 21). Dieser Ansatz umfasst die Bereitstellung solider Begründungen für alle Ausreißer, wie Probleme während einer Chargenherstellung, die zu einer gesteigerten Anzahl an aseptischen Eingriffen (AI) geführt haben.

Deshalb sollte die Analyse nicht nur zwischen einzelnen Zeiträumen, sondern auch über mehrere Zeiträume hinweg erfolgen. Im Gegensatz zum „normalen Ausgangswert  gewährleistet dies einen umfassenden Überblick über die  aseptischen Bedingungen und bietet ein klareres Verständnis der Trends und potenziellen Abweichungen.

Festlegung der optimalen Grenze für die %PoP-Erhöhung:

Unter Verwendung des ANOVA-Tests können wir zeigen, dass ein %PoP-Mittelwert, der größer als 50 % ist, einen Prob > F value (Wahrscheinlichkeit > F-Wert) von weniger als 0,0001 (p-Wert < 0,001) ergibt. Dies weist auf einen Aufwärtstrend hin, der statistisch signifikant ist und eine weitere Untersuchung rechtfertigt (Abbildung 3). Die Analyse bestätigt, dass der Schwellenwert für ein Ansteigen des %PoP-Mittelwerts um mehr als 50 % für eine frühzeitige Feststellung eines Aufwärtstrends von Bedeutung ist. Darüber hinaus können wir anhand der Anwendung „JMP 18 die Mittelwerte jedes Zeitraums verglichen (sie sind durch Kreise auf der rechten Seite der Abbildung 3 kenntlich gemacht). Diese Anwendung zeigt, dass sich der Zeitraum 2 statistisch sowohl von Zeitraum 1 als auch von Zeitraum 3 hinsichtlich der Anzahl der AI C-2 unterscheidet, was darauf hindeutet, dass die korrigierenden Maßnahmen, die  während oder nach dem Zeitraum 2 durchgeführt wurden, wirksam die Probleme bekämpft haben, die während dieses Zeitraums beobachtet worden waren.

Schlussfolgerung

Der Zweck des statistischen Ansatzes bei der Festlegung der repräsentativen Anzahl und der repräsentativen Dauer der korrigierenden aseptischen Eingriffe (AI - aseptic intervention) ist wichtig für die Sicherstellung, dass die in der aseptischen Prozesssimulation (APS - Aseptic Process S) simulierten aseptischen Bedingungen die routinemäßigen aseptischen Bedingungen korrekt widerspiegeln. Dieser statistische Ansatz stellt nicht nur eine fundierte Begründung für die Repräsentativität der Anzahl jeder während der APS simulierten korrigierenden AI und ihrer jeweiligen Dauer bereit, sondern erleichtert auch die Trendanalyse, die frühzeitige Untersuchungen aufgrund aufwärts gerichteter oder atypischer Ergebnisse auslösen kann. Für die Wirksamkeit sollten die Daten unverzüglich nach Vollendung der Charge oder in Echtzeit protokolliert werden, beispielsweise wenn eine elektronische Chargendokumentation verwendet wird.

Diese Trendanalyse ermöglicht es den Anwendern darüber hinaus, basierend auf Daten nachzuweisen, dass die APS die routinemäßigen aseptischen Bedingungen wirksam abdeckt. Sie bietet auch einen Rahmen zur Unterstützung von Untersuchungen von Abweichungen hinsichtlich der Anzahl oder Dau er der bei spezifischen Chargen durchgeführten AI. Der statistische Ansatz ermöglicht eine retrospektive Analyse, die dabei  helfen kann, prospektive Warngrenzen zu definieren und sogar potenzielle Wege von Ereignissen zu simulieren.

Tabelle 1: Anzahl der AI je Charge für den Zeitraum 1 (z. B. von Januar bis Juni) und für den Zeitraum 2 (z. B. von Juli bis Dezember) und so weiter. Die Tabelle bietet Informationen über die je Charge (z. B. AB01) und über Chargen hinweg (z. B. von AB01 bis AB02) durchgeführte Anzahl der Eingriffe, den Mittelwert und die Standardabweichung (SD). Anwender können für eine Gesamtanzahl an Chargen (z. B. 40 Chargen) die Mindest- und die Höchstanzahl jeder während eines spezifischen Zeitraums durchgeführten Eingriffe hinzufügen.

Hinweis: Diese Abbildung ist lediglich ein Ausschnitt der Tabelle. Die vollständige Tabelle finden Sie diese auf der GMP Journal-Website unter https://www.gmp-journal.com/aps-table.pdf .

 

Über den Autor:
Walid El Azab
... ist Mitbegründer und Geschäftsführer von QP Pro Services. Er bietet Beratungsunterstützung durch QPM Consulting und QP Pro Services und
agiert als strategischer Partner für die Geschäftskontinuität in der Pharmaindustr

Fußnoten:
1 EudraLex, Die Regelung der Arzneimittel in der Europäischen Union, Band 4: EU Leitlinien für die Gute Herstellungspraxis, Humanarzneimittel und Tierarzneimittel, Anhang 1, Herstellung steriler  Arzneimittel, (2008).
2 U.S. Department of Health and Human Services Food and Drug Administration, Guidance for Industry Sterile Drug Products Produced by Aseptic Processing — Current Good Manufacturing  Practice, (2004).
3 Swiss Medicine Inspectorate, Interpretation of GMP Annex 1 2022 (Rev. 1), I-SMI.TI.25e, (2023)
4 Parenteral Drug Association, Technical Report No. 22 (Revised 2011), Process Simulation for Aseptically Filled Products, (2011)
5 Hal Baseman, Subrata Chakraborty and Michael A. Long, Interventions Risk Evaluation and Management in Aseptic Manufacturing, PDA J Pharm Sci and Tech 2022, 76 485-496.
6 Zulfiqar Ali and S Bala Bhaskar, Basic statistical tools in research and data analysis, Indian J Anaesth. 2016 Sep; 60(9): 662 669.
7 Gareth James, Daniela Witten, Trevor Hastie, Robert Tibshirani, An Introduction to Statistical Learning with Applications in R, Second Edition, 2013.
8 Larry Wasserman, All of Statistics A Concise Course in Statistical Inference, 2004
9 EudraLex, Die Regelung der Arzneimittel in der Europäischen Union, Band 4: EU Leitlinien für die Gute Herstellungspraxis, Humanarzneimittel und Tierarzneimittel, Anhang 16, Zertifizierung  durch eine sachkundige Person und Chargenfreigabe, (2016).

 

 

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