Trends aus der weltweiten Wirkstoff-Industrie

    

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Die jährliche Wirkstoffkonferenz der APIC ist das wichtigste Forum für die Hersteller pharmazeutischer Wirkstoff e und die Pharmaindustrie. Hier treffen sich Repräsentanten aus beiden Branchen und von internationalen Behörden, um sich über aktuelle Entwicklungen auszutauschen.

Zu Beginn der Konferenz im vergangenen November in Budapest erläuterte Maria Filancia vom Manufacturing Quality and Supply Chain Integrity Committees and Inspections Department der EMA einige wichtige Aspekte der internationalen Zusammenarbeit bei GMP-Inspektionen von Wirkstoff - und Pharmabetrieben und gab einen Überblick über den Stand des Mutual Recognition Agreements (MRA) zwischen der EU und den USA. Die EMA ist eine Behörde mit hauptsächlich koordinativ- administrativen Aufgaben, die von Experten mit wissenschaftlich- technischem Sachverstand in den Bereichen Zulassung, wissenschaftliche Beratungen und GMP-Inspektionen wahrgenommen werden. Laut Maria Filancia bestehen bei der internationalen Zusammenarbeit mit anderen Überwachungsbehörden die ersten wichtigen Schritte darin, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und die Vorgehensweisen bei Inspektionen zu harmonisieren. Hierbei spielen Organisationen wie die PIC/S eine wichtige Rolle.

EU-FDA Mutual Recognition Agreement

Im Realisierungsprozess des MRA zwischen der EU und den USA ist der nächste wichtige Meilenstein am 15. Juli 2019 erreicht. Ab diesem Datum muss die Qualified Person für Chargen, die in den USA gefertigt wurden und mit einem entsprechenden Zertifikat in die EU exportiert werden, keine erneute Prüfung mehr vornehmen. Zu diesem Zeitpunkt fällt auch die Entscheidung, wie mit veterinärmedizinischen Produkten verfahren wird. Drei Jahre später wird dann über Human-Impfstoffe und Blutplasmaprodukte entschieden.

GMP-Inspektionen

Bei GMP-Inspektionen in Fernost, aber auch in Ländern innerhalb der EU, finden GMP-Inspektoren der Überwachungsbehörden immer wieder Verstöße gegen elementare GMP-Regeln. Rainer Gnibl, GMP-Inspektor am Regierungspräsidium Oberbayern, erläuterte die häufigsten Mängel der Kategorie "schwerwiegend" und "kritisch", die er an den unterschiedlichen Standorten vorfindet. In den asiatischen Produktionsstätten kommen kulturelle Besonderheiten hinzu, denen ein GMP-Inspektor Rechnung tragen muss, wenn eine Inspektion möglichst effizient verlaufen soll. Sofortmaßnahmen, die die Behörde nach Feststellen eines kritischen Mangels oder von fünf schwerwiegenden Mängeln vornimmt, beinhalten eine teilweise oder komplette Aberkennung des GMP-Zertifikats, der Importerlaubnis oder des CEPs (durch das EDQM), die Anordnung von Chargenrückrufen oder der Verweigerung einer Zulassung. Im schlimmsten Fall - ein Pharmaunternehmen hat in den Zulassungsunterlagen nur einen Wirkstofflieferanten angegeben - kann ein schlechtes Inspektionsergebnis bei diesem Lieferanten den Verlust der entsprechenden Arzneimittelzulassung zur Folge haben.

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Lieferengpässe

Lieferengpässe sind in der global vernetzten Pharmawelt keine Seltenheit mehr und können unterschiedliche Ursachen haben. Die Behörden der EU-Mitgliedsstaaten spielen in solchen Fällen eine Schlüsselrolle. David Cockburn, ehemaliger Leiter der Abteilung Manufacturing and Quality Compliance der EMA, gab anhand einiger Beispiele Antwort auf die Frage, welche Einflussmöglichkeiten die Behörden bei Lieferengpässen haben. Eine solche Maßnahme besteht z.B. in einer erhöhten "regulatorischen Flexibilität" in Bezug auf die Bearbeitung von Änderungen im Zulassungsdossier oder der Stärkung der "Lieferketten-Resilienz" durch eine regelmäßige Bewertung der Lieferketten durch den pharmazeutischen Hersteller. Ergänzend hierzu wurde ein Vorschlag zur Modifikation des Site Master File Formats ausgearbeitet; ein solcher erweiterter Site Master File enthält einen Überblick über Maßnahmen zum Erhalt der Lieferketten-Resilienz.

Pharmawelt und Brexit

Der bevorstehende Brexit enthält für die Pharma- und Wirkstoff betriebe in Europa und im Vereinigten Königreich viele Unwägbarkeiten. Generell bereitet sich die Pharmawelt auf einen "harten Brexit" vor, also auf eine Situation, in der zwischen der EU und UK, das dann ein "Drittland" ist, kein freier Warenverkehr mehr stattfindet. Arjen te Nijenhuis von Janssen Research & Development, UK, veranschaulichte verschiedene Szenarien in Bezug auf Herstellung und Import/Export von Wirkstoffen, klinischen Prüfpräparaten und Fertigarzneimitteln innerhalb der EU und dem Vereinigten Königreich und die in den Lieferketten auftretenden Komplikationen. Im Vorgriff auf die "No deal"- Situation hat die Regierung des Vereinigten Königreichs bereits vor einiger Zeit eine Reihe von "Technical Notes" veröffentlicht, in der Absicht, die Folgen des "harten Brexit" für die Pharmaindustrie abzufedern. So soll u.a. die innerhalb der EU von einer QP vorgenommene Chargenprüfung und Zertifizierung in UK ohne Einschränkung anerkannt werden. Das gleiche gilt für die Regelungen für Medizinprodukte und die CE-Kennzeichnung. Letztlich lautet die Vision, dass für die EU und UK ein für Pharmaprodukte existierender Parallelmarkt etabliert werden soll, ähnlich dem Europäischen Wirtschaftsraum (EEA), in dem die EU-Mitgliedstaaten und die EFTA-Länder eine vertiefte Freihandelszone bilden.

Einreichung von Zulassungsanträgen

Für zahlreiche Wirkstoffhersteller in der EU ist Kanada ein wichtiger Markt. Seit 2007 akzeptiert die kanadische Zulassungsbehörde die vom EDQM ausgestellten CEPs, allerdings nur für synthetische und semi-synthetische pharmazeutische Wirkstoffe. Amirthini Rajkumar von Health Canada berichtete über die aktuellen Entwicklungen in Bezug auf eine Erleichterung bei der Einreichung von Zulassungsanträgen. So können nun seit August 2017 CEPs direkt und anstelle eines ASMF eingereicht werden, und seit kurzer Zeit werden CEPs auch für sterile und fermentativ hergestellte Wirkstoffe akzeptiert. Allerdings verlangt Health Canada nach wie vor eine Bestätigung zu acht Punkten hinsichtlich der Übereinstimmung mit den aktuellen Regelungen des EDQM zum CEP-Verfahren.

Datenintegrität

Datenintegrität ist ein Thema, das bislang nichts von seiner Brisanz eingebüßt hat. Danny de Scheemaecker von Janssen Pharmaceutica, Belgien, zeigte anhand von Beispielen aus Produktion und Labor, wie mit Hilfe einer Risikoanalyse der jeweiligen Datenverarbeitungssysteme und deren Subsysteme die Integrität von Daten weitgehend sichergestellt und eventuelle Risiken kontrolliert werden können. Hilfreich für den ersten Schritt, der Erstellung eines Überblicks aller GxP-kritischen Aktivitäten, ist eine Orientierung an dem 6-Systeme-Ansatz der FDA.

Zulassungs- und Registrierungsverfahren

Die Zulassungs- und Registrierungsverfahren im russischen Markt unterscheiden sich signifikant von denen innerhalb der EU. Oksana Golycheva, Associate Director Global CMC Regulatory Affairs von Johnson & Johnson, USA erläuterte die verschiedenen Anforderungen in Bezug auf das Registrierungsverfahren für pharmazeutische Wirkstoffe in Russland und den Mitgliedstaaten der EAEU (Eurasian Economic Union): Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan, Armenien und der Russischen Föderation. Seit Mai 2017 gilt für die EAEU-Länder ein gemeinsames regulatorisches Regelwerk, das Zulassungen im gegenseitigen Anerkennungsverfahren (mutual recognition) und das dezentralisierte Zulassungsverfahren beinhaltet (ein zentrales Zulassungsverfahren wie in der EU gibt es nicht). Ein EAEU-Arzneibuch ist in Arbeit. Zulassungsinhaber sollten Lieferengpässe oder ähnliche Verzögerungen vermeiden, denn wenn ein Produkt mehr als drei Jahre nicht auf dem Markt erhältlich ist, wird es aus dem staatlichen Register gestrichen, d.h. die Zulassung erlischt.

Brasilien, ein weiteres Land mit einer Schlüsselrolle im globalen Warenverkehr pharmazeutischer Wirkstoffe, ist seit November 2016 ICH-Mitgliedsland und hat mittlerweile die ICH-Leitlinien Q3A, Q3C, Q3D (in Bezug auf APIs), Q6A, Q11 und M7 adoptiert. Gabriel Ramos Ferronatto, ANVISA, präsentierte die Zeitachse der regulatorischen Anpassungen, wonach Brasilien bis November 2021 weitere Leitlinien wie z.B. diejenigen für klinische Sicherheit (E2A, E2B, E2D) implementieren wird. Seit kurzem gelten in Brasilien neue Fristen für die Bearbeitung von Neuanträgen (120 Tage für Anträge mit priority-Status und 356 Tage für Standardanträge) und von Änderungen (60 Tage für priority-Anträge und 180 Tage für Standardanträge). Nach der COIFA-Initiative bestehen nun direkte Kommunikationslinien zwischen der brasilianischen Behörde ANVISA und den in Europa ansässigen Wirkstoffherstellern, die die Zulassungsverfahren insgesamt beschleunigen sollen.

Verunreinigungen

Im Rahmen eines CEP-Verfahrens ist das Risk Management Summary (RMS) in Bezug auf Element-Verunreinigungen kein verbindliches, aber ein dringend empfohlenes Dokument. Die seit September 2016 gültige Guideline "Implementation of ICH Q3D in the Certification Procedure", die vorgibt, welche Angaben zu Element- Verunreinigungen in einem CEP-Antrag mit und ohne RMS zu machen sind, wurde letztes Jahr revidiert und ist seit September 2018 in Kraft. Hélène Bruguera vom EDQM erläuterte, was CEP-Antragsteller aufgrund dieser Guideline und weiterer, kürzlich aktualisierter "Public Documents" des EDQM zum Antragsverfahren beachten müssen. So enthält beispielsweise die EDQM Guideline zur Revision oder Erneuerung eines CEP weitere Einschränkungen, d.h. es werden zusätzliche Szenarien beschrieben, in denen statt einer CEP-Revision/ Erneuerung ein separater neuer CEP-Antrag erforderlich ist. Ausführlich ging Hélène Bruguera auf den Valsartan- Fall ein. Kurz nach Bekanntwerden der Nitrosamin- Verunreinigung in Valsartan und weiteren Sartanpräparaten startete das EDQM ein Maßnahmenpaket in zwei "Wellen" bestehend aus einem umfassenden Review von betroffenen CEP-Dossiers und der Aufforderung an die CEP-Halter der Sartan-Wirkstoff e, die einen Tetrazolring enthalten, alle Arten von möglicherweise vorhandenen Nitrosaminen zu adressieren.

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Zulassungen in Europa

Seit Januar 2017 ist bei den Zulassungsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten das Worksharing-Verfahren bei der Bewertung von Active Substance Master Files (ASMFs) etabliert. Laut Martijn Klop, Synthon, Niederlande, bedeutet dies eine erheblich Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren. Wenn zehn Behörden in der EU zehn ASMFs erhalten, müsste theoretisch jede der Behörden alle ASMFs bewerten, was zu 100 Assessment Reports führen würde. Das WS-Verfahren erlaubt, dass ein von einer Behörde erstellter Report von den anderen Behörden übernommen werden darf. Diese Vorgehensweise ist für mittlerweile übliche Szenarien, in denen Hersteller mehrere Kunden in unterschiedlichen Ländern mit Wirkstoff en unterschiedlicher Spezifikationen beliefern, nur vorteilhaft. Einen weiteren Vorteil bringt die Erstellung und Versendung eines ASMFs im eCTD-Format.

Ebenfalls eine Erleichterung des regulatorischen Aufwandes, die bei Änderungen an bereits zugelassenen Produkten (post approval changes) greift, soll durch die Bestimmungen der ICH-Leitlinie Q12 erreicht werden. Nach Markus Goese, Hoff mann-La Roche, Schweiz, trägt die risikobasierte Kategorisierung von post-approval Änderungen und die Verwendung des Product Lifecycle Management Dokuments im Rahmen einer Änderungsanzeige zur Harmonisierung solcher Änderungsverfahren bei. Mit den Vorgaben dieser Leitlinie, die seit November 2017 als Step 2-Dokument (Draft Consensus Guideline) vorliegt, sollte die Pharmaindustrie in der Lage sein, einen Großteil der post approval CMC-Änderungen effizient und mit weniger regulatorischer Kontrolle zu handhaben.

Zulassung von Wirkstoff en/Arzneimittel in China

Die Regelungen für die Registrierung von Wirkstoff en und für Arzneimittelzulassungen in China unterliegen seit sechs Jahren einem Änderungsprozess. David Zhou von der chinesischen Industrie- und Handelskammer (China Chamber of Commerce for Import and Export of Medicines and Health Products) erläuterte den aktuellen Stand der regulatorischen Grundlagen. Prinzipiell soll der Review- und Zulassungsprozess für ein Arzneimittel im Verbund mit Wirkstoff , Hilfsstoff en und Packmaterialien stattfinden und nicht mehr nach der gängigen Praxis von separaten, nicht korrelierten Verfahren für die einzelnen Komponenten des Arzneimittels. Aus der neuen Regelung leitet sich eine Pflicht zur Zusammenarbeit von Wirkstoffhersteller und pharmazeutischem Hersteller ab. Im Fall von Qualitätsmängeln am Arzneimittel, die sich auf Mängel am Wirkstoff zurückführen lassen, werden sowohl Wirkstoffhersteller als auch die Pharmafirma durch die chinesische Überwachungsbehörde CFDA zur Verantwortung gezogen.

Ist die globale Harmonisierung von Zulassungsverfahren eine utopische Vision? Laut Marieke van Dalen, Aspen Oss, Niederlande, ist ein solches Endziel, die "Himmelsleiter" zu weltweit einheitlichen Verfahren und Standards durchaus realistisch, vorausgesetzt, alle beteiligten Interessengruppen arbeiten zusammen und finden akzeptable Kompromisse. Eine Reihe von Organisationen und Verbänden haben hier bereits Pionierarbeit geleistet, wie z.B. die APIC oder das IPRP (International Pharmaceutical Regulators Programme). In diesen Zusammenhang gehören auch die MRAs EU-Japan und EU-USA.

 

Autor:
Dr. Gerhard Becker
… ist seit 2002 bei  CONCEPT  HEIDELBERG und  seither Fachbereichsleiter  für die Themen  Wirkstoff e und  Dokumentation. 

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