Wirkstoffgipfel – 18. europäisches Treffen der Wirstoffhersteller
Seit dem Start des FDA "Quality Metrics"-Programms besteht ein erhöhter Informationsbedarf bei Pharmaunternehmen und den Herstellern pharmazeutischer Wirkstoff e zu diesem Thema. Mit den firmenspezifisch erhobenen Daten will die Behörde Risikoprofile für Produktionsstandorte erstellen und letztlich die Planung ihrer Inspektionen steuern. Welche Qualitätsdaten von den Betrieben angefordert und welche Konsequenzen sich daraus für die Überwachungspraxis und für die Betriebe selbst ergeben, war u.a. Thema bei der letztjährigen APIC/CEFIC Conference.
Zu Beginn der Konferenz gab Alex Viehmann, FDA, einen Überblick über die Art der von der Behörde gesammelten Daten und ihre statistische Aufarbeitung. Eines der Ziele des Quality Metrics-Programms ist die Verfolgung des Qualitätsstatus einzelner Produkte und das frühzeitige Entdecken von (kritischen) Schwankungen der Qualität. Auf der Basis des aus diesen Daten abgeleiteten Risikoprofils ermittelt die Behörde dann eine reduzierte (oder gesteigerte) Inspektionsfrequenz für den betreff enden Standort. Eine wichtige Botschaft an die Firmen lautet: das Quality Metrics-Programm wird ausschließlich als Instrument zur Überwachung gesehen. Das Übermitteln von qualitätsrelevanten Daten hat keine Mängelberichte (483er) oder andere Zwangsmaßnahmen seitens der Behörde zur Folge.
Das Schlüsseldokument, das die Einzelheiten der Datenerhebung beschreibt, erschien im Juli 2015 als Draft Guidance for Industry unter dem Titel "Request for Quality Metrics". Vor dem Hintergrund dieser Guidance erläuterte Betsy Fritschel, Johnson & Johnson, welche Daten die FDA genau verlangt, in welcher Form und in welchen Fristen. Wichtig ist, dass tatsächlich Daten geliefert werden und keine "Metrics", d.h. bereits berechnete Kennzahlen; dies behält sich die Behörde ausdrücklich selbst vor.
Auch auf Seiten der Industrie wurden Quality Metrics- Initiativen gestartet. Betsy Fritschel berichtete von einem Pilotprogramm der ISPE, an dem sich 18 Firmen unter Einbeziehung von 44 Standorten beteiligten, wobei insgesamt 14 produktbezogene Kennzahlen über die gesamte Lieferkette ermitteltet wurden. Letztlich bilden solche Daten auch ein solides Fundament für einen Dialog mit den Behörden und die weitere Entwicklung und Förderung einer Qualitätskultur in den Firmen.
Die Bewertung von Lieferketten ist von herausragender Bedeutung in Bezug auf die Vorhersage und die rechtzeitige Vermeidung von Lieferengpässen. Laut Anabela Marcal von der European Medicines Agency (EMA) in London kann das oberste Ziel der Behörde, die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Arzneimitteln sicherzustellen, nur erreicht werden, wenn die teilweise hochkomplexen Lieferketten über einen gewissen Grad an Robustheit - "Resilienz" - verfügen und nicht zusammenbrechen, wenn ein Glied dieser Kette aufgrund von Qualitätsproblemen ausfällt. Hierzu kann die Industrie einen Beitrag in Form eines proaktiven und kontinuierlichen Risikomanagements leisten. Die EMA hat ein Frühwarnsystem für potentielle Engpässe eingerichtet und kommuniziert in vierteljährlichen Telefonkonferenzen mit der FDA, mit Health Canada und der australischen Therapeutic Goods Administration (TGA).
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Probleme mit der Datenintegrität werden häufig mit Firmen im fernöstlichen Wirtschaftsraum in Verbindung gebracht - zu Unrecht, wie Ewan Norton, GMDP Inspektor der britischen MHRA, erläuterte. Die Ursachen, die zu Fehlern im Bereich der Qualitätssicherung elektronischer Daten führen, sind nicht notwendigerweise kulturell bedingt. Auch bei europäischen Firmen stoßen GMP-Inspektoren auf diese Ursachen, die sich zusammenfassen lassen in einem "Dreieck des Betrugs", bestehend aus Sicherheitslücken, Rationalisierung/Zeitdruck und psychologischem Druck, unter dem die Mitarbeiter stehen. Aus der Perspektive der Überwachungsbehörden ist die Datenintegrität ein zentraler Bestandteil der Qualitätssicherung und steht, wie die Warning Letters der FDA und einige Einträge in der Eudra GMP-Datenbank zeigen, im Fokus fast jeder GMP-Inspektion.
Seit ihrem Erscheinen im Dezember 2014 beherrscht die "Guideline on Elemental Impurities", ICH Q3D die Diskussion zwischen Pharmafirmen, Wirkstoffherstellern und Behörden. Laut Janeen Skutnik-Wilkinson von der Firma Biogen, USA, werden die Anforderungen aus ICH Q3D häufig falsch interpretiert. So ist dieses Dokument keine Prüf-Leitlinie und die Firmen sind nicht dazu aufgefordert, die Abwesenheit metallischer Verunreinigungen per Analytik nachzuweisen. Vielmehr geht es in erster Linie um die Durchführung von Risikobewertungen unter Einbeziehung aller potentiellen Verunreinigungsquellen. Je nach Ergebnis dieser Bewertung ist eine Kontrollstrategie zu etablieren. Ein Routinetest auf metallische Verunreinigungen ist nicht zwingend erforderlich, es sei denn, dies ist ein Resultat der Risikobewertung. Generell gilt, dass ein profundes Verständnis des Herstellungsprozesses und die Fokussierung auf die späteren kritischen Prozessschritte die besten Voraussetzungen für eine realistische Risikoeinschätzung bieten.
Die Anzahl eingereichter Änderungsanzeigen hat in den letzten 5 Jahren deutlich zugenommen. Nach den Ausführungen von Koen Nauwelaerts von der European Generic and Biosimilar Medicines Association, EGA, liegt sie derzeit bei durchschnittlich 2,9 Variations pro Zulassung pro Jahr. Bei einem im Lohnauftrag gefertigten Wirkstoff kann die Anzahl der Akteure der Lieferkette durchaus bis zu 12 zusätzlichen ansteigen, die dann, entsprechend der strengen Auslegung der Variations- Verordnung, in das Dossier mit aufgenommen werden müssen. Dadurch steigt die Anzahl an Änderungsanzeigen und damit die Arbeitsbelastung im regulatorischen Bereich (regulatory burden) weiter an. Die EGA empfiehlt daher, die wirkstoffspezifischen Angaben im Zulassungsdossier auf die Hersteller des "final API" und des "final intermediate" zu beschränken.
Um die Vereinfachung von regulatorischen Vorgängen bei Änderungen an bereits zugelassenen Produkten (post approval changes) geht es in der neuen Leitlinie ICH Q12, zu der bislang erst ein Concept Paper mit dem Titel "Technical and Regulatory Considerations for Pharmaceutical Product Lifecycle Management" existiert. Luisa Paulo von der Firma Hovione, Portugal, berichtete über die Beratungen der ICH-Expertenarbeitsgruppe zur inhaltlichen Ausgestaltung dieser Guideline. Letztlich wird mit diesem Dokument in vielen Fällen ein "Do and Tell"-Verfahren möglich sein, was die Weiterentwicklung von Herstellprozessen fördert und Firmen wie Zulassungsbehörden entlastet. Das Step 1 "Technical Dokument" von soll im Juni 2016 fertiggestellt sein.
Die Herstellung hochpotenter Wirkstoff e unter GMP-Bedingungen verlangt spezielle Anforderungen an Ausrüstung und Räumlichkeiten. Wie geht eine Überwachungsbehörde damit um? Laut Mieke van der Meulen, vom Dutch Healthcare Inspectorate ist zweckbestimmtes Equipment unbedingt notwendig, um das Risiko von Kreuzkontaminationen zu minimieren. Unterschiedliche Gebäude sind jedoch nicht zwingend erforderlich. Auch hier gilt: Grundlage einer GMP-konformen Fertigung solcher Wirkstoff e ist zum einen eine umfassende Analyse des Kontaminationsrisikos und zum anderen eine sorgfältige Validierung der Reinigungsprozesse - beides Forderungen aus den Kapiteln 4, 5 und 12 des GMP-Leitfadens Teil II.
Seit März 2015 sind die Leitlinien für die gute Vertriebspraxis von Wirkstoff en in Kraft. Wie diese Grundsätze in der Praxis umgesetzt werden können, erläuterte Uwe Fischbeck von der Firma Merck, Darmstadt. Auch hier bildet eine Risikobewertung der Lager- und Transportbedingungen für die unterschiedlichen Wirkstoff e die Grundlage für die Etablierung von GDP gemäß den Leitlinien. Schließlich sind die Anstrengungen hierzu erst einmal kostenintensiv und binden zusätzliche Ressourcen. Aber letztendlich profitiert der Wirkstoffhersteller von der Erfahrung mit Produkten sowie der Qualität von Wirkstoff en und Folgeprodukten selbst.
Harmonisierung von Standards und regulatorische Konvergenz - dies ist Vision und Programm des EDQM in Straßburg. Hélène Bruguera, Leiterin der Certification Division des EDQM, berichtete über die verschiedenen Initiativen ihrer Behörde, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll, z.B. der Implementierung der ICH Q3DLeitlinie zu "Elemental Impurities" in das Europäische Arzneibuch oder die Weiterentwicklung des mittlerweile weithin anerkannten Verfahrens zur Erteilung eines Certificate of Suitability (CEP). Weitere Beispiele auf dem Weg zur regulatorischen Konvergenz sind u.a. das Joint Inspection Programme, das ASMF Worksharing Programm, das International Generics Drug Regulators Programme und eine Reihe weiterer Initiativen zur Stärkung der Kommunikation mit Behörden außerhalb der EU-Mitgliedstaaten.
Welche Neuerungen werden auf Wirkstoffhersteller und Pharmafirmen in naher Zukunft zukommen? Zum Abschluss der Konferenz präsentierte der Vorsitzende der Quality Working Party der EMA, Jean-Louis Robert eine Aufstellung der Dokumente, die derzeit in Bearbeitung sind. Neue Guidelines betreff en u.a. die Sterilisation von Wirk- und Hilfsstoff en, die Herstellung von Fertigarzneimitteln, die Qualität und Bioäquivalenz topischer Produkte und das mittlerweile erschienene Reflection Paper zum "New Active Substance"-Status chemischer Substanzen. Die Guideline zur pharmazeutischen Qualitätsdokumentation von klinischen Prüfpräparaten wird revidiert.
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Die 18. APIC-Konferenz in Amsterdam zeigte erneut, wie wichtig ein fruchtbarer Meinungsaustausch zwischen Vertretern der Behörde und Industrie ist. Beide Seiten können so wertvolle Anregungen in ihre tägliche Arbeit mitnehmen, um den wachsenden Herausforderungen eines immer komplexer werdenden regulatorischen Umfeldes zu begegnen. Hierzu helfen auch persönliche Kontakte und die über die Konferenztage hinaus geführte und gepflegte Kommunikation. Dafür bot diese Veranstaltung wieder den perfekten Rahmen.
Autor:
Dr. Gerhard Becker
... kam 2002 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Analytik und Compliance.